Ohne Eltern in der Kinderklinik
Krankenhäuser verlangen oft hohe Summen für Mitübernachtung
Die Sparanstrengungen von Krankenhäusern tragen bisweilen seltsame Blüten: Eltern müssen für die nächtliche Betreuung ihrer Kinder tief in die Tasche greifen.
Für Alinas Vater steht fest: Das Gesundheitssystem ist alles andere als familienfreundlich. Als er seine im Krankenhaus liegende vierjährige Tochter auch nachts betreuen wollte, kam postwendend die Rechnung: 35 Euro verlangte die Klinik in Baden-Württemberg pro Übernachtung auf der Klappliege. Ausschlaggebend für eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist die Beurteilung des behandelnden Arztes, ob die Mitaufnahme eines Elternteils notwendig ist. Das kann sehr willkürlich sein, wie der Fall eines Fünfjährigen zeigt, der mit einer von Zecken übertragenen Borreliose im fortgeschrittenen Stadium in eine Klinik eingeliefert wurde. Dem kleinen Patienten musste alle acht Stunden ein Antibiotikum intravenös verabreicht werden - eine Tortur für das ohnehin verunsicherte Kind. Doch der Mediziner sah keine Notwendigkeit für die Betreuung durch ein Elternteil. Wer trotz Ablehnung durch den Arzt den Nachwuchs nicht alleine lassen möchte, muss per Unterschrift sein Einverständnis für eine gesonderte Abrechnung für die »Unterbringung einer Begleitperson (ohne Verpflegung) in der Kinderklinik« geben. Manche Familie mit schmalem Budget dürfte dabei in einen Gewissenskonflikt geraten. Was Eltern erzürnt, ist neben dem hohen Preis, dass die Zuwendung ihres kranken Kindes erschwert oder unmöglich wrd. Auch für Ärzte ist die Entscheidung nicht immer einfach. Dabei spielt nämlich nicht nur die aktuelle Erkrankung eine Rolle. Seinen »schärfsten Fall« stellt Stephan Eßer vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte noch immer empört dar: »Obwohl ein sechs Monate alter Säugling noch gestillt wurde, hielt man Unterbringung der Mutter nicht für notwendig.« Begründung der Klinikleitung: Das Baby könne jederzeit mit adaptierter Milch ernährt werden. Dabei können seit Beginn dieses Jahres Kliniken bei den Krankenkassen für die Mitaufnahme einer Begleitperson für jeden Behandlungstag samt Verpflegung 45 Euro abrechnen. Das Problem sei jedoch, so Eßer, dass die Abrechnung für die Elternunterbringung den ohnehin knapp bemessenen Haushalt in den Krankenhäusern zusätzlich schröpft. Eine Aufstockung ihres Budgets gehe mit der neuen Bestimmung nämlich nicht einher. Alfons Aichinger von der Beratungsstelle der Caritas in Ulm hält es für unbedingt notwendig, dass die Eltern ihrem kranken Kind zur Seite stehen: »Bis weit ins Schulalter hinein fühlen sich die meisten Kinder im Krankenhaus ausgeliefert«, betont der Psychotherapeut. Die Aussage des Experten deckt sich mit der Erfahrung einer Mutter, die trotz der hohen Zuzahlung bei ihrer fiebrigen Tochter im Krankenhaus logierte. Des Öfteren habe sie Kinder aus den Nachbarzimmern weinen hören, deren Eltern aus finanziellen Gründen nicht über Nacht bleiben konnten. Auf die Sparmaßnahmen an den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft hat kürzlich die Techniker Krankenkasse reagiert. Als bisher einzige gesetzliche Kasse hat sie versprochen, bei Kindern bis zu acht Jahren grundsätzlich von einer medizinischen Notwendigkeit für die Mitaufnahme einer Begleitperson auszugehen. Andere Kassen wie die AOK oder die Barmer Ersatzkasse sind dabei, Zusatzpakete zu schnüren. »Gesund werden mit Mama im Ein- oder Zweibettzimmer« heißt die Parole aber nur dann, wenn sich die Eltern im ...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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