Heftige Kritik nach Polizeieinsatz

Video dokumentiert Gewalt von Beamten in Wedding gegen mit Beil und Messern bewaffneten Angreifer

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bilder des Handyvideos sind schockierend. Im Zentrum des Geschehens liegt ein Mann, der über Minuten von mehreren Polizisten mit Schlagstöcken, Tritten und Pfefferspray traktiert wird. Ein Beamter springt dem Mann ins Genick. Am Ende des von einem Passanten gedrehten Clips verbeißt sich dann sogar ein Polizeihund in den Arm des 50-jährigen Mannes.

Was der geschnittene Film allerdings nicht zeigt: Derselbe Mann soll zuvor am vergangenen Sonntag gegen 14.20 Uhr mit zwei Messern und einem Beil bewaffnet eintreffende Polizisten an der Antwerpener Straße Ecke Brüsseler Straße in Wedding angegriffen haben. Mehrfachen Aufforderungen der Polizei, die Waffen niederzulegen, sei er nicht nachgekommen, hieß es. Erst dann reagierten die Beamten auf die Attacke laut Polizei »mit mehreren Schüssen« – Anwohner wollen insgesamt acht Schüsse gehört haben. Und obwohl allein zwei Schüsse den Mann in den Bauch trafen und er von den Beamten wie geschildert bearbeitet wurde, ließ er weiterhin ein Messer nicht los.

Der Hintergrund des Vorfalls blieb gestern indes unklar. Der 50-jährige Angreifer wurde noch am Sonntag notoperiert. Er schwebte am Montag nicht mehr in Lebensgefahr. Warum der Mann aber die Polizisten attackierte und wieso er bewaffnet umherlief, ist weiter unbekannt.

Ob der Polizeieinsatz rechtmäßig war, ist nun Gegenstand von Untersuchungen. »Es ist in solchen Fällen üblich, dass eine Mordkommission ermittelt«, sagt Polizeisprecher Michael Merkle. Zudem prüft die Staatsanwaltschaft, ob bei dem Polizeieinsatz und dem Gebrauch der Schusswaffen alles rechtmäßig gelaufen ist. Der 50-Jährige selbst war gestern noch nicht ansprechbar. Die Polizei konnte ihn nicht befragen. Hinweise auf psychische Probleme gibt es nach Aussage von Ermittlern bisher jedoch genauso wenig wie auf Drogen- oder Alkoholmissbrauch.

Kritik an der Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes kam bereits am Sonntag von Anwohnern auf, die das Vorgehen der Beamten als »brutal« beschrieben. Auch aus der Politik wurden gestern Zweifel an der der Verhältnismäßigkeit des Polizeieinsatzes laut.

Der Berliner Landesverband der Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnte dagegen vor vorschnellen Schlüssen aus dem aufgetauchten Video zum Polizeieinsatz. »Der Film ist geschnitten«, sagt GdP-Landesgeschäftsführer Klaus Eisenreich. Zudem müsse man erst einmal die Untersuchung der Staatsanwaltschaft abwarten. Was die Erfahrung der Polizei angeht, solle man jedoch bedenken, dass die Beamten vor Ort in Sekundenschnelle Entscheidungen treffen müssen. »Da geht es um das eigene Leben, das von Unbeteiligten und das Leben des betroffenen Bewaffneten selbst, der sich nicht verletzen dürfe«, sagt Eisenreich.

Einen ähnlichen Fall wie in Wedding gab es erst im August 2011: Damals hatte ein Polizist in Reinickendorf eine Frau mit psychischen Problemen erschossen, weil sie mit einem Messer auf einen Kollegen losgegangen war. Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen ein, da der Polizist in Nothilfe handelte. Anders sah dies 2008 bei einem Berliner Polizisten aus, der zu Silvester im brandenburgischen Schönfließ Dennis J. erschoss. Der Beamte wurde zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.

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