Alle Genossen sind eingeladen

Die LINKE Lausitz löst den Konflikt um die Nominierung für die Bundestagswahl

Wäre es möglich, dass die Bundestagswahl im kommenden Jahr stattfindet, ohne dass die LINKE für den Cottbus und Spree-Neiße umfassenden Wahlkreis 64 einen eigenen Kandidaten ins Rennen schickt? Theoretisch ja, weil sich der Kreisverband Lausitz bislang nicht auf ein Verfahren zur Nominierung einigen konnte. Praktisch aber nein, denn der Kreisvorstand lenkt jetzt ein, um die rechtzeitige Aufstellung des Kandidaten nicht zu gefährden. Dazu ist kurzfristig eine außerordentliche Kreisvorstandssitzung anberaumt worden. Bereits heute Abend sollen alte Beschlüsse kassiert und neue gefasst werden, um das Problem aus der Welt zu schaffen, wie »nd« erfuhr. Die Gegenseite wäre damit zufrieden.

Ursprünglich sollten diesmal Delegierte entscheiden, wer im Wahlkreis 64 antreten darf. So hatte es der Kreisvorstand beschlossen. Einige Genossen, darunter der Ortsvorstand Guben, bestanden jedoch auf einer Gesamtmitgliederversammlung, weil dies das basisdemokratischere Verfahren sei. Sie waren zudem der Ansicht, dass nur eine Gesamtmitgliederversammlung das Verfahren festlegen dürfe. Ein Beschluss des Kreisvorstands reiche nicht aus.

Der Streit ist inzwischen bei der Landesschiedskommission gelandet. Fünf Ortsvorständler aus Guben haben einen Eilantrag gestellt. Anschließend könnte die Sache zur Bundesschiedskommission gehen und darüber hinaus zwei Instanzen bürgerlicher Gerichte beschäftigen. Die Klärung der Angelegenheit könnte sich bis Ende Juni 2013 oder länger hinziehen.

Das wäre politisch nicht vertretbar, meint Kreisparteichef Matthias Loehr in der Begründung einer von ihm selbst eingereichten Beschlussvorlage für den heutigen Abend. Das Papier liegt dem »nd« vor. Demnach soll die Kandidatenkür doch durch eine Gesamtmitgliederversammlung erfolgen. Stattfinden soll sie am 3. November 2012 um 10 Uhr in Cottbus. Bis spätestens 24. Oktober sollen alle Genossen schriftlich dazu eingeladen sein.

Davon abgesehen ist in der Beschlussvorlage die Hoffnung ausgedrückt, dass die Landesschiedskommission sich des Falls trotzdem noch annimmt, um die Streitfrage einmal grundsätzlich zu klären. Loehr geht nämlich davon aus, dass die frühere Vorgehensweise des Kreisvorstands durchaus rechtlich einwandfrei war. Eine Verzögerung bis Juni wäre jedoch auch deshalb fatal, weil der Direktkandidat für die Lausitz einen Platz auf der Landesliste der Partei erhalten soll. Die brandenburgischen LINKE will diese Liste aber am 2. Mai 2013 aufstellen.

Ob Mitgliederversammlungen tatsächlich basisdemokratischer sind als Delegiertenversammlungen, bleibt umstritten. Landesgeschäftsführerin Andrea Johlige weist darauf hin, dass Gesamtmitgliederversammlungen nicht automatisch »der Hort der Demokratie sind«. Gerade die vielen älteren Genossen, »die nicht mehr so mobil sind«, seien von der Willensbildung ausgeschlossen, wenn die Versammlung weiter weg stattfindet, gibt Johlige zu bedenken. Delegierte zu entsenden, wäre da der bessere Weg.

Bei dem Konflikt in der Lausitz dreht es sich keineswegs nur um belanglose Formsachen. Zum Hintergrund gehört, dass einige glauben, der parteilose Wolfgang Nešković, der den Wahlkreis 2009 für die LINKE holte, hätte bei einer Mitgliederversammlung bessere Chancen, während eine Delegiertenversammlung seine Konkurrentin, die Landtagsabgeordnete Birgit Wöllert, begünstigen würde.

Das hält Matthias Loehr allerdings für einen Trugschluss. Es würde so oder so kein anderes Ergebnis herauskommen, hat er versichert. Die Stimmung sei mehrheitlich gegen Nešković. Dieser hatte einst im Führungsstreit der Bundespartei den Bewerber Dietmar Bartsch als langweiligen Sprechblasenfacharbeiter bezeichnet. Das kam nicht gut an.

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