Sammelbrunnen der Jahre

»Achtung Foto!« widmet sich der Berliner Wasserversorgung von 1856 bis heute

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.

Wasser aus dem Hahn, überall und zu jeder Zeit, das ist für uns heute so selbstverständlich wie die Kanalisation fürs Abwasser. Wie in Berlin die Trinkwasserversorgung mittels öffentlicher Brunnen den Leitungen in jedes einzelne Haus wich und wie sich die Abwasser-Infrastruktur entwickelte, zeigt das Museum im Wasserwerk Friedrichshagen in seiner Dauerausstellung. Die Sonderschau »Achtung Foto! Berliner Wasser-Menschen in Bildern« porträtiert zusätzlich die Menschen, die - damals noch mit viel Körperkraft! - für eine moderne Wasserversorgung in Berlin schufteten.

Seit 25 Jahren lohnt sich ein Ausflug in den stillgelegten Teil des Wasserwerks Friedrichshagen am Ufer des Müggelsees für Geschichtsbegeisterte und Technikfans. Drei Schöpfmaschinenhäuser und ein Sammelbrunnen, vor allem aber das alte Kesselhaus mit vielen Fotos und Exponaten sowie Zugang zur original erhaltenen Maschinenhalle lassen die Anfänge der städtischen Wasserversorgung auferstehen. In der Sonderschau geht es mehr um die Menschen, die diese Entwicklung möglich machten. Per Fotografien aus dem Museumsbestand sowie privater Bilder aus den Familienalben der Mitarbeiter nebst Texten kann man die Entwicklung der Wasserversorgung und Entwässerung Berlins von 1856 bis heute chronologisch nachvollziehen.

Fotografie war im 19. Jahrhundert noch eine aufwendige und teure Angelegenheit, einigen Hoffotografen vorbehalten. Dementsprechend ernst sind die Mienen der Abgelichteten, die sich in Schlips und Anzug präsentierten wie Henry Gill, Gründer des Wasserwerks Friedrichshagen und Direktor der Städtischen Wasserwerke Berlin.

Fotos um 1890 zeigen Männer mit Schirmmützen bei der Verlegung großer Druckrohre durch die Jungfernheide zwischen Sandbergen und Holzgerüsten - ein Bild, das an alte Western zur Zeit des Eisenbahnbaus in den USA erinnert. Ab 1917 wurden wegen des Männermangels im Krieg die ersten Frauen eingestellt, verdienten allerdings nur 20 Prozent des Männerlohns. Die allererste hieß ausgerechnet Fräulein Wunder, wirkte in der Kataster-Buchhaltung und wurde 1919 trotz der erlassenen Demobilmachungsverordnung auf Wunsch des Unternehmens in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen.

Ab 1920 fusionierten sieben Städte plus unzählige Gemeinden, Landkreise und Gutsbezirke zu Großberlin, die Städtischen Wasserwerke verbanden die bis dahin selbstständigen Rohrnetze zu einem modernen Großstadtnetz. Vieles davon wurde im Krieg einige Jahre später wieder zerstört.

Vergleicht man die alten Schwarz-Weiß-Fotos mit den großformatigen Farbbildern von heute, wird klar: So wie sich das Berufsbild des Wasserwerkers hin zum modernen High-Tech-Arbeiter verändert hat, hat sich auch die Fotografie verändert.

Bis Ende 2014, geöffnet Do.-So. 10-16 Uhr; Museum im Wasserwerk, Müggelseedamm 307, Friedrichshagen

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