Schrumplig schöne Kartoffelgesichter

Handpuppen-Hip-Hop-Band rettet alles Mögliche im Jungen Staatstheater

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Alles schräg, angefangen bei der Bühne. Kahl ist sie. Man wähnt sich auf einem unbewohnten Himmelskörper. Vielleicht ist man das auch. Denn von hier aus wird ein Retter per Kanone abschossen. Er soll eine Botschaft überbringen. Ein ahnungsloser Frosch bekommt dafür einen Superman-Umhang angeklemmt. Seine Absender nennen ihn Messias. Noch im Abflug ruft er fragend nach seinem Auftrag. Während der folgenden Handlung rauscht er ab und an mal durch die Gegend irrend vorbei. Hilfe kommt nicht so einfach von irgendwo, wollen die Künstler damit wohl sagen. Auf diese und auf andere Weise wird das in der vom Hauptstadtkulturfonds geförderten Inszenierung »Das Kristallherz« im Theater an der Parkaue ins Spiel gebracht.

Für die Produktion der Geschichte von Paul F. Walther kooperiert das Junge Staatstheater Berlin mit der Hip-Hop-Band Puppetmastaz, einer Band, die fast nur aus großen, Tieren ähnlichen Handpuppen besteht. Typen mit schrumplig schönen Kartoffelgesichtern. Und wenn jemand sagt, er glaube, sein Schwein pfeift, dann wäre das bei Puppetmastaz nichts Ungewöhnliches. International ist die Truppe mit Puppenspielern besetzt. Aber an der Spree wurde sie 1999 gegründet und kam schon viel in der Welt herum. Sie fand Fans in Europa, in Japan, Brasilien, Russland, Afrika, China und den USA. Ihre rhythmisch mitreißenden Songs werden überall verstanden.

Die aktuelle Produktion unter Regie von Paul Affeld vermischt die Handlungen zweier Märchen und fügt noch allerhand dazu. Das wird dann wegen der galaktisch beheimateten Glaspfeifenente und zwei irdischen Ganoven doch etwas unübersichtlich, klärt sich aber durch die Kenntnis der Märchen in den wesentlichen Punkten auf. Dazu müssen die Märchen ja nicht ausführlich erzählt werden. Vielmehr sind es die Wesenszüge von »Pinocchio« und dem Kohlenmichel aus »Das kalte Herz«, die hier herausgearbeitet worden sind.

Puppetmastaz setzt dafür natürlich seine »Leute« dafür ein. Die Stars der Truppe, der Maulwurf Mr. Maloke und die Kröte Croucholina müssen alle Prüfungen durchleben. Dabei sind sie eigentlich in die Wüste von Arizona geschickt worden, um dort der frustrierten Karona als deren Ziehkinder zur Seite zu stehen und ihr zu neuer Inspiration zu verhelfen. Im »Kristallherz« gibt es jede Menge sich vermischende Ereigniswelten, denen man nicht bis in den letzten Winkel folgen kann.

Die Puppenspieler Tina Haseney, Pilo Adrian Llea, Sara Löeffler, Marco Merz, Luis Nassowitz, Sabrina Pankrath, Paul PM und Zhi Yang Trieu sind - wenn sie nicht auf imposante Weise als Fee, Ganoven oder als Kohlenmichel auftauchen - in Schwarz gehüllt und mit Mikros ausgestattet, damit von Sprache und Gesang nichts verloren geht. Außerordentlich gut gelungen sind die fantasievoll erdachten und umgesetzten Kohlenmichel-Szenen. Mit gutem Maß brachte die Regie Videoeinspielungen unter. Den Zuschauern ab zwölf Jahren lässt sich in den 90 Minuten gut vermitteln, dass Geld und Gier nichts sind gegen Herz und Mitgefühl. Dabei ist menschlich nachvollziehbar, wann Mr. Maloke und Croucholina welchen Schwächen nachgeben und keineswegs perfekt sind. Die Art und Weise wie sie leiden und lernen, wird ohne Umschweife sichtbar. Natürlich ebnet die Musik den Weg zum Verständnis.

So bekommt das Schlussbild mit gemeinsam singenden und tanzenden Puppen und Menschen etwas Triumphales. Da kommt auch der anfangs entsandte Frosch angeflogen und weiß immer noch nicht, was los ist. Ein schöner Gag. Für das Theater an der Parkaue untypisch ideenarm ist der Programmzettel zum diesem Stück. Da hat man sich wohl zu sehr auf den Frosch und seine helfende Botschaft verlassen.

20.-22.11., 9.-11.12., Theater an der Parkaue, Junges Staatstheater Berlin, Parkaue 29, Lichtenberg, Tel.: 55 77 52 52, www.parkaue.de

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