Bush ist das Feindbild Nummer eins

Amerikagipfel der Staatschefs von Protesten und Gegentreffen begleitet

  • Jürgen Vogt, Mar del Plata
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Die Staats- und Regierungschefs der Organisation Amerikanischer Staaten treffen sich ab heute ohne das seit 1962 suspendierte Kuba im argentinischen Mar del Plata. Der Gegengipfel ist schon in vollem Gange.

Mar del Plata gleicht in diesen Tagen dem berühmten gallischen Dorf. Der Unterschied: Die Römer sind drin und die Gallier sind draußen. Draußen, das ist der 3. Gipfel der Völker, drinnen, das ist der 4. Gipfel der Staats- und Regierungschefs Amerikas. Vor der Küste patrouilliert die Marine. Um die Veranstaltungsorte und Hotels ist eine vergittere Sicherheitszone gezogen worden. Wer rein will, braucht eine spezielle Berechtigung an den doppelten Kontrollpunkten. Wer es sich leisten konnte, hat in dieser Woche Mar del Plata verlassen. In den Armenvierteln um die Stadt laufen die Protestvorbereitungen auf Hochtouren. Bush-Plakate zieren die Ecken und Enden der Stadt: Bush als Kriegstreiber, Bush als Faschist, Bush als Terrorist. »Das Einzige, was wir von Bush wollen, ist, dass er verschwindet!« Der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel bringt die Stimmung auf den Punkt. Am Dienstagabend ist der 3. Gipfel der Völker Amerikas im argentinischen Badeort Mar del Plata offiziell eröffnet worden. »Viele Menschen in Lateinamerika haben eine große Wut auf den US-amerikanschen Präsidenten Bush«, sagt Esquivel. »Diese entspringt der Politik von Bush. Die geplante gesamtamerikanische Freihandelszone ALCA ist ein neokoloniales Projekt, und die Menschen spüren das. Sie sehen die Menschenrechtsverletzungen, die Militarisierung der Region und wie Menschen in den Krieg getrieben werden.« Bush sei für viele Menschen in Lateinamerika und besonders in Argentinien der Inbegriff des Grauens. Über dem Gipfel weht der Duft gegrillter Chorizos. Theatergruppen fordern zum Mitmachen auf, in den Foren wird gelauscht und diskutiert. Nicht so viele wie erwartet konnten sich die Reise in den argentinischen Badeort zum 3. Gipfel der Völker leisten. Das mag der Grund sein, warum viele Foren nicht so zahlreich besucht sind wie die Veranstalter es sich erhofft hatten. Die Angst der heimischen Bevölkerung vor Gewaltakten steigt mit der erwarteten Ankunft des USA-Präsidenten. In der 400 Kilometer entfernten Hauptstadt Buenos Aires haben die Beschäftigten der U-Bahn bereits angekündigt, solange Bush im Lande sei, werden aus Angst vor Anschlägen keine Bahnen fahren. Über 65 Prozent der Argentinier sind laut einer Umfrage gegen den ersten Besuch von George W. Bush in Argentinien. Bush ist die zentrale Figur, die mobilisiert. Am Freitag ist der kontinentweite Protesttag gegen seinen Besuch. In Mar del Plata werden die Straßen voll sein. Über 1300 Omnibusse mit Demonstranten sind angekündigt. Auch das nationale Fußballidol Diego Armando Maradona hat seine Teilnahme zugesagt. Mit dem Tren del Alba wird er am Vorabend aus der Haupstadt anreisen. Hauptredner der Abschlusskundgebung ist der venezolanische Präsident Hugo Chávez. Er ist der einzige der anwesenden Regierungschefs, der die Sicherheitszone verlassen wird, um auf dem Völkergipfel zu erscheinen. »Bush verkörpert für uns all das, was wir nicht wollen: Neoliberalismus, Verschuldung, Militarisierung und Armut«, sagt Juan González von der CTA. Um diese vier Themen ranken sich die über 140 Workshops, Foren und Konferenzen des 3. Völkergipfels, den die Alianza Social Continental (ASC) vorbereitet hat. Nach eigenen Angaben repräsentiert die ASC kontinentweit 45 Millionen Menschen. Sie hat sich 1997 gegründet und ist ein Zusammenschluss von Gewerkschaften, Parteien, Nichtregierungsorganisationen, Menschrechtsgruppen und sozialen Bewegungen. »Mit dem Gipfelmotto "Otro América es posible - Ein anderes Amerika ist möglich" lehnen wir uns an das Sozialforum in Porto Alegre an (Eine andere Welt ist möglich), aber die Geschichte des Völkergipfels beginnt früher«, so Juan González. Das Oberthema des Regierungsgipfels heißt: »Arbeit schaffen, um die Armut zu bekämpfen und die demokratische Regierbarkeit zu stärken.« Lateinamerika ist der Kontinent mit dem größten Ungleichgewicht in der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. Nach den Kriterien der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) leben 222 Millionen Menschen in der Region in Armut. Das sind 40 Prozent der Bevölkerung. Präsident Bush hat bereits angekündigt, er wolle weiter über die Freihandelszone ALCA sprechen, die eine ausgezeichnete Chance zur Schaffung von Arbeitsplätzen sei. Mehr als eine unkonkrete Absichtserklärung ist in Mar del Plata indes nicht zu erwarten. Freihande...

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