Ein verkorkstes Leben

Betrügerischer Krankenpfleger zu Gefängnisstrafe verurteilt

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Genau genommen ist er ein Opfer des DDR-Systems. Denn hätte ihm das Medizinstudium an der Humboldt-Universität »wegen der vielen Propaganda« nicht so viel Unbehagen bereitet, so dass er es nach zwei Monaten hinschmiss - vielleicht hätte sein Leben einen anderen, gesetzestreueren Verlauf genommen. So aber sitzt Frank L., 50 Jahre, auf der Anklagebank: als Betrüger und Dieb. Und das schon zum sechsten Mal. Das Ende der DDR, sagt er, war für ihn die Erlösung. Endlich frei sein!

Es zog ihn auf eine spanische Ferieninsel, er landete bei Immobiliengangstern. Dann jobbte er vor sich hin, machte eine Ausbildung als Krankenpfleger, erbte von einer gepflegten Nachbarin eine kleine Hazienda und kehrte der Liebe wegen wieder nach Deutschland zurück. So erzählt er es. Doch hier lief alles schief: Sein im Urlauberparadies erworbenes Krankenpflegerdiplom wurde nicht anerkannt, seine unzähligen Bewerbungen landeten in Papierkörben von Pflegediensten. Da erinnerte er sich seiner gestalterischen Fähigkeiten.

Auf Internetseiten über den Pflegeberuf fand er auch entsprechende Urkunden, kopierte sie, setzte fingierte Unterschriften ein und verfügte so über eine abgeschlossene Ausbildung als Pfleger. Als examinierte Krankenpfleger gesucht wurden, fand er zweimal eine Anstellung. Als Beleg zeigte er eine Kopie seiner Fälschung. Das Original sei noch in Spanien oder verloren gegangen, teilte er den Pflegediensten, die ihn einstellten, mit. Und er arbeitete ohne Beanstandungen. Das heißt, er zeigte sich den Aufgaben als ausgebildeter Pfleger durchaus gewachsen. Dann aber gab es in einer Einrichtung in Moabit zwei Anzeigen wegen Diebstahls. Zwei älteren Bewohnern von Pflegewohnungen wurde der Familienschmuck gestohlen. Es geschah in der Zeit, als sich die alten Damen im Krankenhaus befanden. Schnell war klar, Frank L. hatte sich unbefugterweise den Generalschlüssel angeeignet und war in die Wohnungen der Senioren eingedrungen, um sie auszurauben.

Erst gestern vor Gericht legte er ein Geständnis ab und ersparte der Strafkammer damit eine mühevolle Beweisaufnahme. Das Gericht verurteilte ihn wegen Betrugs und schweren Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Vor Verhandlungsbeginn hatten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung darauf geeinigt, dass bei einem umfassenden Geständnis die Strafe zwischen drei und vier Jahren liegen werde.

Ursprünglich war er auch noch der Urkundenfälschung angeklagt. Dies nahm die Staatsanwaltschaft jedoch zurück, weil L. ja immer nur eine Kopie des gefälschten Diploms vorgezeigt hatte. Somit sei der Fälschungsakt nur mit großem Aufwand nachzuweisen gewesen und hätte auf das Strafmaß wenig Einfluss gehabt. Wie hoch der entstandene Schaden für die zwei Pflegeeinrichtungen ist, lässt sich nur schwer sagen, da er seine Aufgaben als Pfleger erfüllt hat. Als ungelernter Pfleger hätte er jedoch weitaus weniger verdient. Das Vertrauen der betroffenen Senioren in die Einrichtungen allerdings ist dahin. L. will den Schaden wieder gutmachen und sich nach Ende seiner Haft ausbürgern lassen.

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