Verunglückte Lohnerhöhung

Falck-Gruppe will bisherigen DRK-Rettungskräften in Spree-Neiße den neuen Haustarif nicht zahlen

Am 1. Januar kümmert sich im Landkreis Spree-Neiße nicht mehr das Deutsche Rote Kreuz (DRK) um den Rettungsdienst, sondern die Krankentransporte Herzig GmbH. Das Unternehmen, das zur starken und auf vier Kontinenten tätigen dänischen Falck-Gruppe gehört, soll vom DRK die Rettungssanitäter und die anderen Beschäftigten übernehmen, insgesamt 107 Leute. Sie will das auch tun, allerdings zu teilweise deutlich niedrigeren Löhnen.

49 Mitarbeitern der DRK-Tochter Rettungsdienste Spremberg gGmbH seien neue Arbeitsverträge angeboten worden, erklärt Ralf Franke, Sekretär der Gewerkschaft ver.di. Die Leute müssten Einbußen von durchschnittlich 600 Euro brutto im Monat hinnehmen. Franke hat die Unterschiede in einer Tabelle aufgelistet. Ein Rettungssanitäter würde mit 1750 Euro brutto monatlich nach Hause gehen und 20 Tage Urlaub im Jahr haben, wenn er die Bedingungen von Herzig akzeptiert. Laut Haustarif hätte er Anspruch auf 1793 bis 2408 Euro und 26 Tage Urlaub - nach zehn Jahren Betriebszugehörigkeit 29 Tage und nach 15 Jahren sogar 30 Tage. Nachtzuschlag gäbe es von Herzig 1,05 Euro pro Stunde statt 1,50 Euro, Weihnachtsgeld nur 800 Euro statt 1900. Die Wechselschichtzulage von 102,26 Euro im Monat würde ganz entfallen.

Die Gewerkschaft rät den Betroffenen, weiter zum Dienst zu erscheinen, aber die neuen Arbeitsverträge keinesfalls zu unterschreiben. Nach Ansicht von Franke liegt ein Betriebsübergang vor. Das hieße: Herzig muss die DRK-Mitarbeiter zu den alten Konditionen übernehmen.

Die Falck-Gruppe beschwert sich, ver.di habe den Tarifvertrag mit der DRK-Tochter erst Ende Oktober abgeschlossen - als bereits klar gewesen sei, dass die DRK die höheren Löhne nicht mehr lange zahlen muss, weil der Rettungsdienst an Herzig übertragen wird. Nach einer ersten Schätzung entstünden dadurch Mehrkosten in Höhe von 25 Prozent, heißt es von Herzig. Die Krankenkassen seien nicht bereit, dies zu bezahlen und sie dürften es nach dem Gebot der Wirtschaftlichkeit auch gar nicht. »Die Vereinbarungen sind branchenunüblich und erfolgen in einem Ausmaß zu Lasten Dritter, das sehr erfahrene Juristen als beispiellos beschrieben haben«, rügte Herzig-Geschäftsführer Klaus Runggaldier.

Er verwies auch darauf, dass man noch immer keine vollständigen Personalunterlagen vom DRK habe. Daher müsse man bei der Gehaltsabrechnung mit einem Grundlohn improvisieren. »Für manchen langjährigen Mitarbeiter kann dies zunächst unter Umständen weniger Lohn bedeuten«, räumte Runggaldier ein. Sobald alle erforderlichen Daten vorliegen, werden die Gehälter entsprechend Alter, Familienstand, Ausbildung und Funktion angepasst, versprach er.

Franke zeigte sich daraufhin empört, wie der Geschäftsführer der Öffentlichkeit Sand in die Augen streue. Die Tarifverhandlungen seien bereits Anfang des Jahres begonnen worden und schon im August habe das Ergebnis festgestanden. Bei der Ausschreibung des Rettungsdienstes habe das Angebot des DRK darauf basiert, dass im nächsten Jahr mehr Lohn zu zahlen ist, weil das vor Ende der Bewerbungsfrist schon klar gewesen sei. Herzig dagegen habe dies »bewusst nicht einkalkuliert«, um das DRK unterbieten zu können. Tatsächlich habe das Angebot der dänischen Unternehmensgruppe um die Summe niedriger gelegen, um die jetzt bei den Gehältern gestritten werde. Außerdem hätten die Krankenkassen hier gar nichts zu entscheiden, erläuterte der Gewerkschaftssekretär. Die Kosten lege nämlich der Landkreis in einer Gebührensatzung fest.

Das bestätigte die Kreistagsabgeordnete Birgit Wöllert (LINKE), die zugleich Gesundheitsexpertin der Linksfraktion im Landtag ist. Das Land Brandenburg habe das extra so geregelt, damit die Krankenkassen nicht indirekt die Löhne der Rettungssanitäter drücken können. Wöllert berichtete, dass der Kreistag gerade in der vergangenen Woche die neue Gebührensatzung für die nächsten zwei Jahre beschlossen habe. Normalerweise müsste die Tarifsteigerung einkalkuliert ein, sagte sie. Wenn nicht, dann würde sich das später mit der nächsten Gebührensatzung verrechnen.

»Auf Tarifverhandlungen und deren Ergebnisse hat der Landkreis keinen Einfluss«, meinte Landrat Harald Altekrüger (CDU). Die Kreisverwaltung gehe davon aus, dass DRK und Herzig die Übernahme des Personals »einvernehmlich in ihrer Verantwortung regeln«. Das klingt danach, als gehe den Landkreis die ganze Sache nichts an.

»Das sehe ich total anders«, betonte die Abgeordnete Wöllert. Wenn der angestrebte Betriebsübergang nicht funktioniere, müsste der Landkreis schauen, ob er die Vergabe nicht rückgängig macht, sagte sie. Die LINKE wollte ursprünglich einen ganz anderen Weg gehen. Statt einer Ausschreibung des Rettungsdienstes sollte ein Eigenbetrieb des Kreises die Aufgabe in die Hand nehmen. Dieser gemeinsam mit der SPD vorgetragene Vorschlag fand allerdings im Kreistag keine Mehrheit.

»Ein Eigenbetrieb wäre aus heutiger Sicht besser gewesen«, urteilt ver.di-Sekretär Franke. Dann nämlich hätten die Rettungskräfte 100 Prozent Westtarif erhalten, so wie die Beschäftigten der Kreisverwaltung. Der Haustarif verspreche ihnen lediglich 92 Prozent. Es sei also keineswegs so, dass die neu ausgehandelten Löhne über Gebühr hoch sind. Davon abgesehen sichere der Haustarifvertrag lediglich 26 der 49 Mitarbeiter tatsächlich ein höheres Entgelt. Bei den anderen handele es sich lediglich um die Wahrung von Besitzständen, sagte Franke.

Wer bislang mehr verdient habe, könne individuell verhandeln oder klagen und derweil trotzdem für Herzig arbeiten, schrieb Runggaldier in einem Brief an Beschäftigte der DRK Rettungsdienste Spremberg gGmbH. Eine Gerichtsentscheidung würde das Unternehmen dann selbstverständlich respektieren, sicherte der Geschäftsführer zu.

Gewerkschafter Franke deutet jedoch eine Ankündigung, von der er gehört hat, als unverhohlene Drohung an die 49 DRK-Mitarbeiter, nämlich die Ankündigung, notfalls Ersatzpersonal zu stellen. Nach Frankes Kenntnisstand hat bislang kein einziger unterschrieben.

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