Eine alte kommunistische Tante
Charmant, aber auch ein wenig schrullig: Die Zeitung »analyse + kritik« (ak) feiert Jubiläum
1971 unter dem Namen »Arbeiterkampf« als Zentralorgan des Kommunistischen Bundes (KB) in Hamburg gegründet und 1991 in »analyse + kritik« umbenannt - die 500 Ausgaben von »ak« bilden ein umfangreiches Nachschlagewerk linksradikaler Bewegungsgeschichte.
Ein linkes Zeitungsprojekt kann heute nur überleben, wenn es am Puls der sozialen Bewegungen ist, wo es Multiplikatoren findet. Über diese und andere Erfahrungen nach 34 Jahren Zeitungsgeschichte berichtet die »ak«-Redaktion in einem »Selbstinterview«, das in der November-Ausgabe erscheinen wird. »Wir wollen verstärkt eine linke Bewegung ansprechen, aber auch kritisch begleiten, die noch den Anspruch hat zu intervenieren«, sagt Redakteurin Nicole Vrenegor. »Da heißt, uns liegen Themen wie der Kampf gegen den Sozialabbau besonders nahe.«Das Projekt wurde ins Leben gerufen, als die marxistisch-leninistische Bewegung in der Bundesrepublik ihren Zenit erreicht hatte. Während das Motto von damals »Der Wahrheit und der Klarheit wegen« noch heute gilt, hat der »ak« im vergangen Jahrzehnt seine redaktionellen Pforten auch für Debatten und Berichterstattung über Aktivitäten von Reformbewegungen wie der PDS geöffnet.
»Ich habe "ak" immer wie die alte kommunistische Tante unter den linken Zeitungen wahrgenommen - charmant, aber auch ein wenig schrullig«, erzählt Nicole Vrenegor, die erst 2001 in das ak-Kollektiv eingestiegen ist. Die 33-jährige Journalistin kommt aus der autonomen feministischen Bewegung. Für eine der größten Stärken von »ak« hält die Politologin, dass das Projekt eine Pluralität linkspolitischer Meinung gewährt, ohne in Beliebigkeit abzugleiten. Auf »ak« sei »immer Verlass«, wenn fundamentale emanzipatorische Standpunkte zur Disposition stehen: Antimilitarismus, Antirassismus, Antisemitismus- und Kapitalismuskritik. Das gilt auch für eine antibellizistische Haltung: »Es gibt Strömungen in der Linken, die an Kriegen als so genannte humanitäre Interventionen Gefallen gefunden haben«, erklärt Jens Renner, der seit 1991 Redakteur beim »ak« ist. »Die lehnen wir ab.«
Schon Anfang der 90er Jahre hatte sich die Mehrheit der »ak«-ler geweigert, die sich nach Auflösung des KB anbahnende neoliberale Wende von Teilen der bundesdeutschen Linken mitzuvollziehen. Bereits 1991 kam es zur Spaltung der Redaktion. Aus dem »Arbeiterkampf« wurde »analyse + kritik«. Die Aussteiger, heute größtenteils bei den so genannten Antideutschen zu finden, warfen dem Projekt vor, für die Wiedervereinigung Deutschlands eingetreten zu sein - tatsächlich hatte »ak« aber für den Fortbestand der DDR plädiert.
»ak« wiederum kritisiert die Antideutschen, die den Irakkrieg der USA als »antifaschistische Mission« befürworteten und behaupten »jede Kritik am Staat Israel ist antisemitisch«. Damit, so »ak« werde der Nahost-Konflikt als »Projektionsfläche« für deutsche Befindlichkeiten benutzt und »rassistische Gewalt- und Kollektivbestrafungsfantasien« vor allem gegen Palästinenser propagiert.
Dass »ak« nicht nur ein Debattier- sondern auch ein Kampfblatt ist, bewies seine Redaktion auch in früheren Jahren in einer Auseinandersetzung mit »konkret«- Herausgeber Hermann L. Gremliza. Der Verleger hatte sich schon vor dem Deutschen Herbst 1977 aktiv an der allgemeinen Hatz auf die »linken Staatsfeinde« beteiligt, indem er öffentlich dazu aufrief, »jeden Unterschlupf zu verweigern, den letzten Rest einer Solidarität, die diese Bombenleger selbst nie geübt haben, zu entziehen«. Ein Denunziationsappell, an den Gremliza ebenso ungern erinnert werden wollte wie an die aggressiv antiamerikanische und antiisraelische Ausrichtung seiner »konkret« in den achtziger Jahren. Die Entschuldigung für den Aufruf, die sich der Verleger nach massiven Druck von »ak« und anderen linken Projekten erst 20 Jahre später abringen konnte, wurde im »ak« als »Gremlizas späte Reue« ausführlich dokumentiert und gewürdigt.
Es gibt aber auch politische Irrtümer, die das »ak«-Kollektiv eingestehen muss: »Wir betrachten unsere Vergangenheit selbstkritisch, schämen uns aber nicht dafür«, sagt Redakteur Jens Renner. »Eine markante Charaktereigenschaft unserer Zeitung ist die Mischung aus Kontinuität und Bruch.«
2002 wurde das Projekt um das Magazin Fantomâs erweitert. In dem zweimal jährlich erscheinenden Heft werden Debatten um traditionelle linksradikale Schwerpunktthemen wie »Soziale Kämpfe um Aneignung, Verteilung und Anerkennung« auf akademischen Niveau vertieft, aber auch neuere Problemfelder wie Biopolitik konzentriert angegangen. In der Zukunft will die achtköpfige Redaktion, die auf einen großen Stamm ehrenamtlicher Autoren zurückgreifen kann, mit einem neuen Layout und aktuellen Kulturthemen verstärkt junge Leser ansprechen.
Am 19. November lädt die »ak« alle »alten und neue GenossInnen« zu einer Jubiläums-Party in die Werkstat...
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