Erfolgreiches Zeichen gegen rechts

Mehr als tausend Nazis scheitern in Halbe an Protesten von Bürgern und Antifas

  • Martin Kröger, Halbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Rund 2200 Menschen haben am Samstag im brandenburgischen Halbe einen Aufmarsch von Neonazis zum größten Soldatenfriedhof in Deutschland verhindert.
Es ist kein guter Tag für Gerhard Bednarek. Den alten Herrn plagen Schmerzen in der Wirbelsäule. Schon am Mittag muss sich Bednarek direkt von der Gedenkveranstaltung auf dem Waldfriedhof von Halbe auf den Weg nach Hause machen. Dabei hätte er noch gerne am »Tag der Demokraten« teilgenommen, den ein »Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit« organisiert hatte. Gerhard Bendarek ist aber nicht nur wegen seiner Rückenschmerzen erbost. Der Mann aus einem Nachbarort von Halbe findet es höchst unverständlich, dass jedes Jahr hunderte Neonazis in die Gemeinde pilgern, um ein »Heldengedenken« für die deutschen Soldaten zu veranstalten, die hier während der letzten Kesselschlacht des Zweiten Weltkriegs gestorben sind. Aber nicht nur die Neonazis sind dem Rentner ein Dorn im Auge. »Dass der Minister Jörg Schön-bohm eben gesagt hat, er hat den Protest dagegen angeregt, ist eine Farce«, sagt Bednarek. »Schön-bohm hat sich doch ins schwimmende Boot gesetzt« - womit der Mann den in der Gegend seit Jahren gewachsenen Widerstand gegen die rechtsradikalen Aufzüge meint. Der brandenburgische Innenminister hat gerade eine bedächtige Rede auf Soldatenfriedhof gehalten und sagt, »Halbe darf nicht zum Wallfahrtsort der Ewiggestrigen werden.« Und: »Gewalt ist kein Mittel der Auseinandersetzung.« Worte eines Ex-Generals und Polizeibefehlshabers, die viele der sechshundert Gäste auf den Friedhof mit Erstaunen vernehmen. Waren sie doch in der Vergangenheit eine andere Sprache Schönbohms gewöhnt. Auch an diesem Samstag will die stille, pathetische Stimmung auf dem Waldfriedhof nicht recht zum Aufmarsch zahlreicher Zivilbeamten der Polizei und eines privaten Sicherheitsdienstes passen, der sich rings um die Versammlung postiert hat. Überhaupt die Sicherheit: Bevor man nach Halbe gelangt, gilt es, diverse Kontrollen zu überwinden. Autos und Busse werden in Kontrollstellen der Bundespolizei geleitet, die jedes Gepäckstück akribisch kontrollieren. Anschließend geht es im Shuttlebus durch den kleinen Ort, vorbei an verstreuten Einfamilienhäusern zwischen Kiefern und Fichtenwäldern. »Wir sind mit drei Bussen des EKO-Stahlwerks aus Eisenhüttenstadt gekommen«, sagt René Beutke. Der Auszubildende ist gekommen, »um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen«. Kurzfristig seien sie vom Betrieb und der Stadt angefragt worden. Nun stehen die Jugendlichen seit Stunden mit den anderen rund 2000 Teilnehmern des »Tag der Demokraten« auf der zentralen Lindenstraße und versperren den Nazis den Weg. Karin Weber, eine Landtagsabgeordnete der Linkspartei, hat eine spontane Versammlung angemeldet. Zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin die Marschroute der Nazis gebilligt. Die Menschen, auffallend viele Ältere, Bürger aus der Gegend und ein paar Antifas, weichen auch dann nicht, als die Spontandemo aufgelöst wird und die Polizei versucht, die Demonstranten aus dem Weg zu schieben. Stundenlang bis in den frühen Abend, wo Kerzen angezündet werden, verwehren sie so den Marsch der 1600 Rechtsextremen durch Halbe. Auf der anderen Seite führt das Warten zu Aggression. Jugendliche Neonazis aus der Region rufen »Straße frei für die deutsche Jugend« und versuchen den Polizeikordon zu durchbrechen. Nach 30 Metern ist jedoch Schluss. Während der gescheiterte Ausbruchsversuch innerhalb der Rechtsradikalen zu Streit führt, teilen man in den reihen der Blockierer mitgebrachte Lebensmittel und Getränke. Ältere wechseln sich beim Sitzen auf den wenigen Bänken ab. Das hätte auch Gerhard Bednarek, dem Rentner aus dem Nachbarort gefallen. Wenn nur die Wirbelsäule nicht so geschmerzt hätte.
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