Im Zeichen der Waldohreule

Ausstellung über die Naturschützerin Erna Kretschmann wird heute im Landtag eröffnet

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Wat dem Ostdeutschen sin Uhl, war dem Westdeutschen der Seeadler. Aber nicht für immer. Das DDR-Naturschutzsymbol, die Eule, wurde von der Umweltministerkonferenz 1991 allen Bundesländern als gesamtdeutsches Naturschutzzeichen empfohlen. Die Linksfraktion im Landtag hat Erna Kretschmann - sie hatte dieses Symbol gemeinsam mit ihrem Mann Kurt erfunden - eine Ausstellung gewidmet, die heute im Parlament auf dem Potsdamer Brauhausberg eröffnet wird.

In seiner Einladung hat der Abgeordnete Marco Büchel auf die Geschichte der schwarzen Waldohreule auf gelbem Grund aufmerksam gemacht - seltsamerweise fehlt sie aber auf den Tafeln der eigentlichen Ausstellung. Zusammengestellt worden ist die Schau vom Haus der Naturpflege Bad Freienwalde, das auf eine Gründung des Naturschützerehepaars Erna und Kurt Kretschmann zurückgeht.

In einer Zeit, in der es üblich ist, die DDR auch beim Umweltschutz auf ihre Defizite zu reduzieren, kommt der Ausstellung das Verdienst zu, unaufgeregt zu demonstrieren, dass es dabei auch eine andere und sehr lebendige Seite gegeben hat. Weder waren seinerzeit private Initiativen ausgeschlossen, noch hatte es am Sinn der Partei- und Staatsführung für die Natur gefehlt.

Naturschutz in der sowjetischen Besatzungszone begann als Feldschutz. Dokumentiert ist in der Ausstellung die gemeinsame Anstrengung staatlicher und privater Kräfte, der Bodenerosion mittels des Anpflanzens von Windschutzhecken Einhalt zu gebieten. Dieser Frage hatte sich das Ehepaar Kretschmann ausgiebig gewidmet.

Erna Kretschmann trat in die KPD ein, wurde Kreisrätin für Volksbildung, später regionale Geschäftsführerin der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, bevor sie sich - auch im Rahmen des Kulturbundes - gemeinsam mit ihrem Mann Kurt ausschließlich dem Naturschutz widmen konnte.

Der Lebenslauf dieser ungewöhnlichen Frau ist sorgfältig dokumentiert. Erna wurde 1919 in Köslin, einer Ortschaft zwischen Stettin und Danzig geboren. Dass sie als junge Frau einen staatlich anerkannten Berufsabschluss als Kindergärtnerin und Hortnerin erreichte, war eine Besonderheit in einer Zeit, in der eine reguläre Berufsausbildung für Frauen in der Regel nicht vorgesehen war. Nach der Trennung von ihrem ersten Gatten zog Erna zu ihrem späteren Ehemann Kurt, der schon zur Nazizeit ein »alternatives Leben im Wald« führte, wie der Ausstellung zu entnehmen ist. Das schützte ihn allerdings nicht vor der Einberufung zum verbrecherischen Feldzug gegen die Sowjetunion. Kurt desertierte und versteckte sich bis zur Befreiung vom Faschismus wochenlang auf dem Gelände eines Schaugartens, den er und seine Frau angelegt hatten. Ihr gemeinsamer Sohn starb im Januar 1945 an Diphtherie.

Zwischen 1954 und 1960 betrieben die beiden auf dem Müritzhof in Mecklenburg »die wohl erste Naturschutzlehrstelle der Welt«, heißt es in der Ausstellung. Auf dem verlassenen Bauernhof im damals mit 5000 Hektar größten Naturschutzgebiet der DDR wurden zum Teil bei Kerzenschein Grundsätze des Naturschutzes vermittelt. Später hatten die Kretschmanns in Bad Freienwalde das »Haus der Naturpflege« aufgebaut, ohne staatlichen Auftrag und zunächst auch ohne Mittel von dieser Seite, wie zu erfahren ist. Erna hatte bis zu ihrem Tod 2001 über 2000 Fachbeiträge verfasst, gemeinsam mit Kurt hatte sie über 60 Broschüren herausgegeben. Erna Kretschmann starb 2001, ihr Mann Kurt 2007.

Beide hatten das Glück, dass ihnen auch nach der deutschen Einheit die zustehende Anerkennung nicht versagt wurde. Fotos zeigen sie mit der beliebten Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD). Zu ihren vielen Auszeichnungen während der DDR-Zeit gesellten sich später der Europäische Umweltpreis und die Goldene Ehrennadel des Naturschutzbundes. Anlässlich der Verleihung der Ehrennadel hatte der damalige brandenburgische Umweltminister Matthias Platzeck (SPD) die Laudatio gehalten.

Die Ausstellung kann Montag bis Freitag zwischen 8 Uhr und 16 Uhr betrachtet werden. Sie wird am 4. März wieder abgebaut.

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