DGB macht auch in Leiharbeit

Eine Tochterfirma des Gewerkschaftsbundes vermittelt gewerblich Arbeitskraft

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Leiharbeitsfirma Weitblick Personalpartner GmbH ist eine Tochter des DGB-Berufsbildungswerks. Das passt nicht zum Kampf des DGB gegen Niedriglöhne und eben: Leiharbeit.

Auch im Wahljahr liegt der Fokus des DGB auf dem Kampf gegen prekäre Beschäftigung und Niedrigstlöhne. Auf der Neujahrs-Pressekonferenz des Dachverbandes fand DGB-Chef Michael Sommer am 10. Januar klare Worte: »Wir werden das Jahr 2013 zum Jahr einer neuen Ordnung der Arbeit machen. Ein erster Schritt liegt auf der Hand: Die Einführung eines gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohns von mindestens 8,50 Euro in der Stunde.« Ferner forderte Sommer »mehr und besser geschützte, unbefristete und Existenz sichernde Normal- Arbeitsverhältnisse«.

Da passt es schlecht ins Bild, wenn ausgerechnet eine Tochterfirma des DGB-Berufsbildungswerks Leiharbeiter in Jobs vermittelt, die diesen Kriterien keineswegs entsprechen. Was zunächst nur einige kleinere Zeitungen und Internet-Blogs berichteten, wurde durch eine Veröffentlichung von »spiegel online« am Montag allgemein bekannt. Die Weitblick-Personalpartner GmbH mit Hauptsitz in Erkrath beschäftigt und vermittelt Arbeitskräfte zu Stundenlöhnen, die unter der vom DGB geforderten Mindestvergütung liegen. Dabei beruft sie sich auf einen Tarifvertrag, den sie quasi mit sich selbst abgeschlossen hat: Weitblick gehört zwar faktisch dem DGB, ist aber auch Mitglied des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ), der größten Arbeitgeberorganisation der Branche. Bekannt wurde das Geschäftsgebaren der DGB-Tochter durch Recherchen der unabhängigen Hafenarbeitergewerkschaft contterm.

Im Mittelpunkt steht die Vermittlung von 170 Kassiererinnen an die zum Metro-Konzern gehörende Handelskette real. Diese wurden von Weitblick nach Lohngruppe 1 gemäß dem mit dem IGZ abgeschlossenen Tarifvertrag bezahlt. Das bedeutet 8,19 Euro pro Stunde. Bei einigen Jobangeboten der Zeitarbeitsfirma wurden sogar nur 7,89 Euro offeriert. Mittlerweile hat sich Weitblick bereit erklärt, die Differenz zum geforderten Mindestlohn auszugleichen.

Das ist aus Sicht des contterm-Gewerkschaftssekretärs Sascha Schomacker vollkommen unzureichend. »Es wäre das Mindeste, wenn das DGB-eigene Unternehmen die Differenz zum geforderten Mindestlohn auch rückwirkend ausgleicht«, so Schomacker gegenüber »nd«. Außerdem stünde Kassiererinnen die Entgeltgruppe 2 mit einer Stundenvergütung von 8,74 zu. In den Erläuterungen zu dem Tarifvertrag heißt es dazu bei der zuständigen DGB-Gewerkschaft ver.di: »Kassiertätigkeiten ohne Beratung und Verkauf. Achtung, hier wird in der Praxis besonders häufig nur in EG 1 eingruppiert. Den Arbeitsvertrag nur unterschreiben, wenn Eingruppierung mindestens in EG 2.«

Für Schomacker, in dessen Organisationsbereich Leiharbeit immer mehr zunimmt, steht vor allem die gewerkschaftspolitische Dimension der Affäre im Mittelpunkt: »Der DGB betreibt mit der Firma Weitblick aktiv Zeitarbeit und fördert die Ziele der Zeitarbeitslobby durch die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband IGZ. Das ist ein Skandal.« Die Glaubwürdigkeit des gewerkschaftlichen Kampfes für gesetzliche Mindestlöhne und gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse werde dadurch schwer beschädigt.

DGB-Sprecher Klaus Harbers räumte am Donnerstag auf nd-Nachfrage ein, dass Leiharbeit als Geschäftsmodell »generell für uns nicht geeignet ist«. Aufgabe der Firma Weitblick sei gewesen, die Möglichkeiten der Arbeitnehmerüberlassung zur Vermittlung in Transfergesellschaften oder dauerhafte Arbeitsplätze zu nutzen. Die Anwerbung zur gewerblichen Vermittlung sei »von diesem Gedanken nicht mehr gedeckt und war im DGB in dieser Form nicht bekannt«, so Harbers. Das gelte auch für die Unterschreitung der Lohnuntergrenze von 8,50 Euro pro Stunde. Kommentar Seite 4

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