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Kameras schrecken ab

Bündnis erwägt Klage gegen Senatspläne zum Abfilmen von Demonstrationen

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Versammlungsfreiheit ist in Deutschland ein Grundrecht. Warum braucht es denn da ein Berliner Bündnis für die Versammlungsfreiheit?
Obwohl es grundgesetzlich garantiert ist, finden immer Einschränkungen statt. Das aktuelle Versammlungsgesetz ist sehr umstritten und sehr restriktiv. Mit den sogenannten Übersichtsaufnahmen plant der Berliner Senat noch einen weiteren großen Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Deswegen haben wir uns gegründet.

Was für Organisationen haben sich in dem Bündnis zusammengeschlossen?
Es machen etliche Bürgerrechtsorganisationen mit. Die Gewerkschaft ver.di sowie die drei Oppositionsfraktionen im Abgeordnetenhaus Grüne, Linkspartei und Piraten sind dabei.

»Gesetz über Übersichtsaufnahmen zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen« lautet der sperrige Titel des Senatsvorhabens. Das klingt erst einmal nach ein paar harmlosen Verkehrswachtmeistern, die lediglich Demonstrationen durch die Berliner Innenstadt lenken und absichern sollen.
Das Problem ist die Abschreckungswirkung, die durch Kameras entsteht. Personen werden durch das Abfilmen eingeschüchtert, an solchen Versammlungen teilzunehmen. Das darf auf einer Versammlung in einem demokratischen Rechtsstaat nicht sein. Man muss sich frei fühlen können, auf eine Demonstration zu gehen und nicht durch staatliche Institutionen abgeschreckt werden.

Wenn es bei Demonstrationen zu Gewalt kommt, oder wie es in der Rechtssprache heißt »bei erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung«, dann darf die Polizei filmen, auch ohne Gesetz. Das reicht doch aus, oder?
Das sehen wir genauso. Wenn eine Gefahr besteht, dann darf gefilmt werden, und deswegen sehen wir auch für die zusätzlichen Aufnahmen überhaupt keine Erforderlichkeit.

Im Gesetz ist konkret von »Übersichtsaufnahmen« die Rede, die nicht gespeichert werden dürfen. Die Maßnahme wird damit begründet, den Schutz von Versammlungen zu gewährleisten. Wenn man sich an die Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg erinnert, ist das nicht von der Hand zu weisen.
In Duisburg gab es andere Probleme. Bisher konnte die Polizei in Berlin immer gut mit Funkgeräten und mehreren Polizisten eine Versammlung lenken. Und im Übrigen können sich Polizisten auch von oben einen Überblick verschaffen. Dazu braucht man keine Kameras.

Im Abgeordnetenhaus kam es wegen des Gesetzes vor kurzem im Rechtsausschuss zum Eklat: Weil das Gesetz offenbar durchs Parlament gepeitscht werden soll, verließen aus Protest die Oppositionsfraktionen Grüne, LINKE, Piraten den Ausschuss. Wurde eine der Organisationen des Bündnisses zum Gesetz befragt oder ins Abgeordnetenhaus geladen?
Zunächst: Wir haben ebenfalls den Eindruck, dass das Gesetz zur Videoüberwachung sehr schnell verabschiedet werden soll – vor allem in Hinblick auf den 1. Mai. Ursprünglich sollte auch keine Anhörung zum Gesetz im Innenausschuss stattfinden, möglicherweise gibt es eine solche Sitzung Anfang März doch noch. Dazu wollen die Oppositionsfraktionen ein Mitglied unseres Bündnisses laden.

Über die Pläne des Senats zur Verschärfung der Videoüberwachung, die ja maßgeblich auf die CDU und deren Innensenator Frank Henkel zurückgehen, wissen wahrscheinlich nur wenige Berliner überhaupt Bescheid. Wollen Sie auch die Gesellschaft sensibilisieren?
Sicher. Die Große Koalition nutzt es aus, dass viele von dem Gesetz bisher nichts gehört haben, um den Gesetzentwurf durchzubringen. Wir wollen deshalb verschiedene Veranstaltungen machen: Am 25. Februar wird es eine Podiumsdiskussion in der Humboldt-Universität geben. Dazu verschiedene Kunstaktionen und Demonstrationen sowie vieles mehr.

Wollen Sie auch juristisch gegen das Gesetz vorgehen?
Wir prüfen das. Der Eingriff in die Versammlungsfreiheit ist massiv, deshalb behalten wir uns auf jeden Fall juristische Schritte vor. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, werden wir möglicherweise dagegen klagen.

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