Plüschhasen flirten gut

Im Adlershofer Fundus gibt es 35 000 Kostüme - in der Faschingszeit ist viel los

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 4 Min.

Zum Glück wird in Berlin das ganze Jahr über gefeiert: Es gibt immer mehr Motto-Partys und jede Menge private Events mit bestimmter Kleiderordnung. Ein 50. Geburtstag im Ambiente der 1960er-Jahre beispielsweise oder eine Silberhochzeit ganz im Stil der 1980er. Für Wolfgang Schultes, Chef vom Adlershofer Kostümfundus, ist es jedenfalls offensichtlich: »Der Trend zum geliehenen Outfit nimmt zu.« Vor allem jetzt in der Faschingszeit besuchen ihn viele gut gelaunte Kunden.

Sie steigen hinab in ein Reich voller Glamour und Überraschungen, das eigentlich ein Keller ist. Die Decken sind niedrig, überall schlängeln sich Rohre entlang und doch sind sie kaum zu sehen. Geschickt wurden Lampen in verschiedenen Größen und Formen angebracht. Man schaut nach oben und ist beeindruckt. An den Wänden lehnen üppig verzierte Spiegel, die manchmal ein bisschen stumpf wirken. Aber das macht das Alter. Schließlich stammen die 350 000 Requisiten - vom Eierbecher bis zur Kanonenattrappe - sowie die 5000 Möbelstücke aus einer längst vergangenen Zeit. Sie wurden seit den 1950er Jahren extra für das DDR-Fernsehen angefertigt und kamen in 450 Filmproduktionen pro Jahr zum Einsatz. Zu diesem gewaltigen Schatz gehören außerdem rund 35 000 Kostüme, 5000 Perücken und 800 falsche Bärte. Dieser Fundus zählt zu den größten Requisiten-Lagern der Bundesrepublik.

Seit 15 Jahren gehört er der Familie Schultes. »Diese Vielfalt ist nicht nur kulturhistorisch wertvoll, sondern wichtig für diesen Standort mit all seinen Unternehmen der Film- und Fernsehbranche«, betont Geschäftsführer Schultes. Er selbst kennt das Adlershofer Gelände seit Mitte der 1990er Jahre: Kam damals als Projektentwickler für Industriebrachen in die Hauptstadt und sollte das Areal erhalten und entwickeln. Doch was dort im Keller lagerte, war unübersichtlich und irgendwie kaum zu bewältigen.

Das ist inzwischen anders. Denn Schultes Frau Margret und Tochter Stephanie haben gemeinsam mit ihren zehn Mitarbeitern nicht einfach umgeräumt, sondern ein ganz neues Konzept entwickelt. Und den Fundus für Privatkunden geöffnet. Ein roter Teppich wurde ausgerollt und entlang dieser eleganten Spur Themenbereiche angeordnet.

Jeder Besucher kann nun nach Lust und Laune allein herumstöbern. Auf den Kleiderständern drängeln sich Uniformen aus verschiedenen Jahrhunderten. Zudem gibt es beispielsweise Mittelalter-, Orient-, oder Barockkostüme sowie Mode aus den 1920er und 1930er Jahren. »Alles Unikate und in Handarbeit gefertigt«, schwärmt Wolfgang Schultes. Berliner Originale wie der Hauptmann von Köpenick, Zille oder auch der Alte Fritz sind zu haben.

Was einst Prominente trugen, kann sich inzwischen ebenfalls jeder in dem 4000 Quadratmeter großen Ambiente ausleihen. Dazu gehören die ausgeflippten Klamotten von Helga Hahnemann, wie ein lilafarbenes Kleid und eine schwarze Rocker-Lederjacke, die eher biederen Sachen von Willi Schwabe sowie die kunterbunt und üppig gestalteten Kostüme des DDR-Fernsehballetts.

Bisher konnten die Fundus-Mitarbeiter die meisten Besucher zufriedenstellen. »Wir beraten die Leute ausführlich und lassen sie viel probieren«, berichtet Stephanie Schultes. Genau das macht der jungen Frau auch viel Spaß an ihrem »unterirdischen Job«. Oft sei es so, dass die Gäste mit konkreten Vorstellungen kommen. Aber manchmal wissen vor allem Männer nicht so recht, was sie tragen sollen. »Toll zu sehen, wie die sich im Laufe der Anproben verändern und dann mit einem völlig anderen Gesichtsausdruck und einer neuer Haltung unsere Räume verlassen«, sagt Stephanie.

Einen bestimmten Faschingskostüm-Trend konnten die Schultes für dieses Jahr nicht ausmachen. Begehrt sind bei Frauen und Männern nach wie vor die Bär- und Hasenkostüme. Bei dieser kuschelig-flauschigen Tierkleidung sei bei einer Party der Flirt-Faktor extra hoch, bestätigen immer wieder Kunden. »Manchmal zeigen sie uns auch Fotos, die sie als ,Beste Kostümträger’ ausweisen«, berichtet der Firmen-Chef.

Es kann auch passieren, dass Wünsche nicht sofort erfüllt werden, weil einige Fundus-Stücke besonders begehrt sind. Bei dem schlichten schwarzen Kleid im 20er-Jahre-Stil und dem goldfarben glänzenden Rokoko-Kostüm gab es schon Wartelisten. Aber das ist die Ausnahme. Schultes erweitern zudem regelmäßig ihre Angebote. So wurde kürzlich eine größere Menge Dirndl und Lederhosen angeschafft, erklärt Wolfgang Schultes, und nennt damit doch noch einen Trend.

Im Unterschied zum DEFA- Fundus in Babelsberg bietet Adlershof »eine riesige Auswahl an gesellschaftlicher Alltagskleidung an«, betont der Chef. In der offenen Schneiderwerkstatt werden abgetragene oder kaputte Stücke erneuert.

Etwa 30 Prozent sind private Kundschaft, der andere Teil kommt aus den Bereichen Film, Fernsehen und Veranstaltungsausstattung. Zu den vielen vom Fundus ausgestatteten Produktionen gehören »Good bye, Lenin!«, »Sonnenallee«, »Der Tunnel«, »Weißensee« oder »Rubel die Katz«.

Adlershofer Kostümfundus, Ernst-Augustin-Straße 7. Geöffnet di. u. mi., 10-17 Uhr, do. u. fr., 10-18 Uhr. Ausleihe für Privatkunden pro Woche 50 bis 70 Euro. www.fundus-berlin.de.

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