Unter Rot-Rot keine Roten Mützen

Verkehrswacht bedauert reduzierte Verkehrserziehung an den Schulen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein neuer Leitfaden »Schul- und Spielwegsicherheit« wendet sich an Lehrer, Eltern, Schüler und Ehrenamtliche. Einen verbindlichen Umgang mit diesem Werk gibt es allerdings nicht. Bei der Vorstellung des Heftes sagte Verkehrsminister Jörg Vogelsänger (SPD) gestern, die Verkehrserziehung müsse ein Zusammenspiel aller Beteiligten bis hin zur Verkehrswacht sein.

Mit dem neuen Leitfaden wurde die bisherige Konzentration auf Grundschüler und auf Fachpersonal durch einen breiteren Ansatz beendet, erklärten die Autoren. Erziehung zum richtigen Verhalten im Straßenverkehr müsse begleitet werden von Baumaßnahmen zur Schulwegsicherung, unterstrich Professor Herbert Staadt, der das Leitfadenteam leitete.

In Brandenburg lebt ein Teil der Kinder in Städten und Gemeinden mit dichtem und immer noch zunehmenden Straßenverkehr, ein anderer in ländlichen Gegenden, wo es fast gar keinen Verkehr mehr gibt. Probleme ergeben sich in beiden Fällen, sagte Mitautorin Sibylle Birth. Und nicht nur deshalb, weil auch Kinder aus verkehrsarmen Gegenden sich irgendwann einmal dort befinden, wo es viel Verkehr gibt und wo sie sich unbedingt richtig verhalten müssen. Die Zahl der Unfälle, in die Schüler verwickelt werden, seien in beiden Situationen gleich hoch, sagte Birth. In Regionen mit geringerer Verkehrsdichte sei der Schulweg länger. Rund ein Drittel der Unfälle lasse sich auf Straßen- und Gehwegschäden zurückführen, ein weiteres Drittel auf Baustellen, Absperrungen und Ähnliches.

Die Aktion »Rote Mützen« für Schulanfänger wird nicht weitergeführt. Vor einigen Jahren noch sollten mit Hilfe der auffälligen Mützen Schulanfänger im Verkehr besser erkennbar sein. Gezeigt habe sich allerdings, dass Eltern und Kinder sich zu sehr auf die Mützen verließen, heißt es. Die Kinder seien auf einem »unsichtbaren Zebrastreifen« gewandelt. Es sei aber nicht das Ziel gewesen, die Kinder in einer trügerischen Sicherheit zu wiegen, wird die Beendigung der Aktion begründet.

Eltern wurden bei dieser Gelegenheit aufgerufen, den Schulweg ihrer Kinder kritisch zu betrachten und gemeinsam mit den Schulen und den Behörden Gefahrenstellen zu beseitigen. Wenn für Autofahrer vor Kindergärten und Schulen eine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt, dann wäre es günstig, wenn die Fahrer erfahren, dass dies dem Schutz der Kinder dient, meinte Professor Staadt. Im europäischen Ausland gebe es da originelle Vorbilder.

»Ohne das Ehrenamt« würden wir die Verkehrserziehung nicht hinbekommen», gestand Minister Vogelsänger. Auch die Pädagogen seien «gefragt». Tatsächlich bleibt aber offen, ob Verkehrserziehung an den Schulen in Brandenburg heute noch überall stattfindet. Laut «Empfehlung» sind dafür 20 Unterrichtsstunden in der Grundschule vorgesehen. Inwieweit das verbindlich ist, ließ sich nicht in Erfahrung bringen. Die Schulen weisen darauf hin, dass im Zuge des Stellenabbaus bei der Polizei die Besuche in Schulklassen drastisch zurückgegangen sind.«

Der Polizei fehlen jetzt schlicht die Leute für die Verkehrserziehung an den Schulen, weiß Jürgen Maresch, Präsident der Landesverkehrswacht. Inzwischen kommen Polizisten nur noch zu den praktischen Fahrradprüfungen an die Grundschulen. Das war vor 2009 noch ganz anders. Damals habe der schrittweise Rückzug der Kollegen aus den Schulen begonnen. Doch damit nicht genug: Früher habe es in Brandenburg 18 speziell für die Verkehrserziehung geschulte Lehrer gegeben. Mittlerweile seien es nur noch zwei. Die Landesverkehrswacht könne das nicht abfangen, bedauerte Maresch. Seine Organisation erhalte viele Anfragen von Schulen, könne aber in vielen Fällen den Wünschen nicht entsprechen. Zwar gehen etliche der rund 650 Mitglieder in allen Teilen des Bundeslandes ehrenamtlich in die Schulen und machen dort Verkehrserziehung. Da viele jedoch berufstätig sind, können sie nicht vormittags im Unterricht auftreten, sagte Maresch, der auch Abgeordneter der Linksfraktion im Landtag ist. Dass mehr Verkehrserziehung und besonders eine bessere Radfahrausbildung nötig wäre, liege auf der Hand. Denn allein die Zahl der Fahrradunfälle auf dem Schulweg sei 2011 um 40 Prozent gestiegen. 3706 Schüler wurden insgesamt in einen Unfall verwickelt, davon 1437 mit dem Rad.

Zwischen 1992 und 2009 wurde für die Sicherung von Wegen zu Schulen und Spielplätzen insgesamt 14,1 Millionen Euro bereitgestellt. Sie dienten 284 verschiedenen Projekten. Derzeit werden acht Bauprojekte verfolgt, darunter auch Verbesserungen an den Schulbushaltestellen. Diese Haltestellen gelten als Schwachpunkte.

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