Bilder zum Sich-Vergucken

Der frühe Willi Sitte

  • Marion Pietrzok
  • Lesedauer: 2 Min.

Kräftige Farben, heftig aufgetragen, üppige Formen, schwer und leicht zugleich, große Formate - so kennt man die Malerei von Willi Sitte. Der Meister der menschlichen Figur gestaltete sie mit einem ganzen Arsenal an ungewohnten Perspektiven, kühnen Verkürzungen und Drehungen so in den verschiedensten Haltungen und zumeist in temperamentvollster Bewegung, dass sie den unverkennbar Sitte'schen Personalstil prägten. Die formal komplizierten, das Auge fesselnden sogenannten Simultanbilder, die mit gemalter Gleichzeitigkeit verschiedener Szenarien aufs Lebhafteste Zusammenhänge sichtbar und verstehbar machten, wurden Sittes Markenzeichen. Die Themenvielfalt war enorm. Jede Leinwand: Leidenschaft pur.

Wenn denn eine Ausstellung angekündigt wird, die frühe Bilder präsentiert, regt sich die Neugier, ob denn in den - wenig bekannten - Anfängen die späteren Essenzen schon zu finden sind (vorab gesagt: Sie lassen sich erkennen). Willi Sitte, der seit 1947 mehrere Jahrzehnte an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle wirkte, arbeitete zunächst altmeisterlich. Doch dann: Aufbruch - deutsche Künstler eroberten sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Avantgarde der internationalen Kunst, die von den Nazis verfemt worden war. - Ein entzückendes Ölbild von 1956, die liebreizenden »Harpyien« - drei, vier barbusige weibliche Wesen im Kleid der Greifvögel, Schicksalssymbole, leicht erhöht und auf einem unbestimmten Mauerstück platziert, sind einer der »Hingucker« der kleinen Umschau in der Galerie Schwind. Hier trumpfen formale Reize der Klassischen Moderne auf. Als wär's ein Gruß an Picasso - der alsbald in der DDR nicht gelitten war. Die Frauen, die an Stämmen herauf- und herabturnen - ein konzentriert gesetzter Wirbel voluminöser nackter Arme und massiger nackter Beine, sie lassen unschwer Fernand Léger als Experimentanreger erkennen.

Die Ausstellung - eine schöne Geste zum Geburtstag von Willi Sitte, der am 28. Februar 92 Jahre alt geworden ist - zeigt auch Beispiele für die außerordentliche Erfindungs- und Gestaltungskraft des Malers aus den 60er Jahren sowie ein Selbstporträt von 1997. Diese hat sich in Courbet wie in Corinth Kraftquellen erschlossen, Abstraktes wie Realistisches, Kubistisches wie Expressionistisches erprobt, auch dem Surrealismus nachgeschmeckt.

Bis 6. April, Galerie Schwind, Auguststraße 19, Di-Sa 12-18 Uhr

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