Von Sozial bis Windrad

Forum in Wünsdorf: Am 24. März wird in Teltow-Fläming ein neuer Landrat gewählt

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 4 Min.

Wird in Teltow-Fläming erstmals eine Landrätin oder ein Landrat direkt gewählt werden? Das dürfte sich am 24. März zeigen, wenn 139 500 Bürger zur Stimmabgabe aufgerufen sind, gegebenenfalls auch erst am 14. April, sollte es zu einer Stichwahl kommen. Erreicht dabei keiner der Kandidaten das notwendige Quorum, entscheidet der Kreistag.

Um das Landratsamt bewerben sich fünf Politiker. Sie stellten sich am Mittwochabend im Bürgerhaus in Wünsdorf vor: Kornelia Wehlan (LINKE), Frank Gerhard (SPD), Danny Eichelbaum (CDU), Gerhard Kalinka (Grüne) und Klaus Rocher (FDP). Im Landkreis sind ihre Konterfeis auf Plakaten an Bäumen und Laternen zu sehen. Ein Hauch von Wahlkampf überall. Der Urnengang wurde notwendig, weil der Stuhl des Landrats verwaist ist. Peer Giesecke (SPD), der lange Jahre Landrat war, wurde rechtskräftig der Untreue und der Vorteilsnahme überführt und deshalb vom Kreistag im Dezember vorigen Jahres abgewählt.

Reichlich 120 Bürger hatten sich am Mittwochabend in Wünsdorf eingefunden, um die Kandidaten zu befragen. Wichtigstes Thema in Teltow-Fläming ist die Haushaltskonsolidierung. Dabei ist unklar, auf welche Summe sich die Schulden des Kreises belaufen, ob es 54 Millionen sind oder 100 Millionen. Das hängt davon ab, wie man zählt, ob man beispielsweise jene Kredite hinzurechnet, mit denen bisherige Kredite getilgt werden. Unter den Kandidaten war man sich weitgehend einig, dass die Haushaltskonsolidierung ein langfristiger Prozess werden dürfte. Keiner möchte das Rasenmäherprinzip anwenden.

Kornelia Wehlan sagte, dass eine Haushaltssanierung nur mit sozialem Augenmaß geschehen dürfe. Die Hälfte der Bedarfsgemeinschaften in Teltow-Fläming gehöre zu den sogenannten Aufstockern, die zusätzlich zum Lohn noch finanzielle Unterstützung benötigen. Allein für deren Unterkünfte gebe die Verwaltung jeden Monat 2,3 Millionen Euro aus. Ein existenzsicherndes Einkommen, etwa durch den Mindestlohn, würde den Haushalt erheblich entlasten. Bei dem Gedanken, einfach freiwillige Leistungen zu streichen, müsse man die Folgen für die Städte und Gemeinden, übrigens auch für kleine Unternehmen bedenken, meint Wehlan. Bei diesem Posten handele es sich zumeist um Bildung, Freizeit, Sport, Kultur, vornehmlich auch um die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen.

Frank Gerhards Motto lautet: »Mehr Gerechtigkeit.« Auch er plädierte dafür, dass Sparen nicht zu einem Kahlschlag verkommen dürfe. Die Zukunftsfähigkeit müsse erhalten bleiben.

Einen politischen Wandel hin zu mehr Miteinander forderte Gerhard Kalinka - etwa im Kreistag, unter Politikern, zur Verwaltung und mit den Bürgern. Bisher hätten gewissermaßen ein Sonnenkönig und Freundschaften regiert. Das Landratsamt sei beschädigt. Man müsse sich neu zusammenfinden, damit der Bürger wieder Vertrauen gewinne, und zwar vor allem durch Transparenz. Sämtliche Großprojekte wie die Bundesstraße 101 gehörten auf den Prüfstand. Man müsse herausfinden, ob es nicht auch preisgünstiger gehe. Der Kreis habe sich zuletzt übernommen.

Danny Eichelbaum setzte sich für eine »unideologische Kommunalpolitik« zum Nutzen des Bürgers ein. Man müsse in einen Dialog über die Zukunft treten.

»Mehr Bürgerbeteiligung« wurde von allen Kandidaten ins Gespräch gebracht. Klaus Rocher nannte die Stichworte: »weniger Bürokratie«, aber ohne Personalabbau, mehr Entscheidungen vor Ort und nach Konsolidierung mehr Geld in die Gemeinden. Auch im freiwilligen Bereich müsse hinterfragt werden: Erzielen die Ausgaben die beabsichtigten Wirkungen oder werden die Gelder nur hin und her geschoben? Ob die Bände des Bücherbusses zum Beispiel besser in den Schulen stehen sollten, könne durchaus neu bewertet werden.

Immer mal wieder war vom Flugplatz Schönhagen die Rede. Der laufende Flugbetrieb muss vom Kreis bezahlt werden. Es entstehen Kosten in Höhe von einer Million Euro im Jahr. Im Grunde aber fliege nur der Unternehmer X von dort nach Berlin und anderswohin, um mit dem Unternehmer Y Geschäfte zu machen. Davon profitierten auch die Hauptstadt sowie weitere Landkreise, weshalb sie die Kosten mittragen sollten. Eine etwas abwegige Utopie, so befand man im Publikum. Skepsis auch bei dem Hinweis des CDU-Mannes, für mehr Polizei und mehr Videoüberwachung in Potsdam vorstellig werden zu wollen.

Natürlich haben es die Kandidaten bei einem solchen Forum schwer, innerhalb von einer oder zwei Minuten ihre Positionen präzise zu artikulieren. So blieb manches ein wenig im Ungewissen. Unter den Besuchern witzelte man derweil über Gerüchte, ob wohl die SPD bei einem Wahlsieg die CDU mit in den Führungsstab nehmen werde oder umgekehrt.

Die Bürger legten einem künftigen Landrat beispielsweise nahe, sich mit dem Öffentlichen Nahverkehr zu befassen (»In der Waldstadt Wünsdorf fährt am Wochenende kein Bus.«). Vielfach wurden die Kandidaten gebeten, sich dafür einzusetzen, dass die mit 28 Windkrafträdern weit und breit größte Anlage inmitten eines Waldes nicht gebaut wird.

Und ein Bürger beklagte, dass die Bundesregierung genug Geld dafür habe, Soldaten nach Afghanistan, in die Türkei und nach Mali zu schicken, aber in seinem Heimatort seit 20 Jahren keine 500 000 Euro für einen Fußweg aufzutreiben seien. Nun solle die Gemeinde noch den Mellensee übernehmen und ihn bewirtschaften. Wie soll das gehen?

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