Die Schatten der Vergangenheit

Der Start in die Radsportsaison wird überschattet von immer neuen Doping-Enthüllungen

  • Tom Mustroph, Chieti
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei der Rundfahrt Tirreno-Adriatico trifft sich erstmals in der neuen Radsportsaison die Elite auf zwei Rädern. Nach einem Winter voller Doping-Enthüllungen ist jedoch noch kein klarer Trend zum Wandel erkennbar.

Auf jeden Winter folgt ein Frühling. Auf den Dopinggeständniswinter mit einer Halbbeichte von Lance Armstrong, den neuen Details im Prozess um Blutdopingarzt Eufemiano Fuentes und jenen Aussagen, die durch die Wahrheitskommission des niederländischen Radsportverbandes KNWU forciert wurden, folgt nun ein »Frühjahr der Erneuerung«. So jedenfalls sieht es der Teamchef des Teams Sky, David Brailsford. Der Brite, dessen werbeträchtige »Null Toleranz«-Politik in Sachen Doping in der Vergangenheit einige Schläge erhalten hatte, weil sich Ex-Doper im Team befanden, lobt das niederländische Modell der Aufarbeitung. »So lange es keine globale Lösung gibt, wie wir die Probleme der Vergangenheit angehen können, sucht jeder einzelne seinen Weg. Da ist das holländische System ein guter Ansatz«, sagte er am Rande der Frühjahrsrundfahrt Tirreno-Adriatico in Italien gegenüber »nd«.

Die Vereinbarung zwischen dem KNWU, der niederländischen Antidopingbehörde und den drei Profiteams Blanco (Ex-Rabobank), Argos Shimano und Vacansoleil sieht vor, dass bis 1. April alle Angestellten der Teams eine Erklärung abgeben müssen, ob sie gedopt haben oder nicht. Wer auspackt, erhält für Vergehen bis Ende 2007 eine sechsmonatige Sperre. Wer schweigt, aber später erwischt wird, soll die volle Strafe erhalten und umgehend von den Teams gekündigt werden. Für die Zeit zwischen 2008 und heute sind individuelle Regelungen vorgesehen. Das Verfahren ist laut Marc Reef, sportlicher Leiter von Argos Shimano, auch für ausländische Profis verpflichtend, also auch für den sein Blut mit UV-Bestrahlung aufgefrischt habenden Thüringer Patrick Gretsch.

Die Wahrheitskommission in den Niederlanden entspricht in etwa den Vorstellungen der selbst ernannten Radsporterneuerer von »Change Cycling Now«. Während die Gruppe nur medialen Einfluss auf den Radsport hat, aber keine administrative Macht, geht der niederländische Verband voraus.

Nicht überall freilich stößt diese Vorgehensweise auf Freunde. Bei den Teams Astana, Saxo Bank und Katjusha beispielsweise ist die Skepsis groß. »Ich weiß nicht, was das bringen soll, wenn wir immer in die Vergangenheit schauen. Da kommen wir ja bald bei den Zeiten von Eddy Merckx an«, mokierte sich Astanas neuer Generaldirektor Alexander Winokurow gegenüber »nd«. Katjushas sportlicher Leiter Valerio Piva will lieber, dass sich der Weltverband UCI der Sache annimmt.

Der hatte bereits eine interne Aufarbeitungskommission eingesetzt, dessen Mitglieder wegen ihres beschränkten Auftrags aber schnell das Handtuch warfen. Fabrizio Guidi, sportlicher Leiter vom Rennstall Saxo Bank, für den auch Alberto Contador fährt, will »mit Politik« - und Dopingaufarbeitung ist für ihn offenbar reine Politik - »nichts zu tun haben«. Es gibt aber, und das ist der Hoffnungsschimmer dieses Frühjahrs, immer mehr Manager, die eine Aufarbeitung für notwendig halten. »Es ist zu begrüßen, was in Holland geschieht. Transparenz ist ganz wichtig, um das Vertrauen wieder zurückzugewinnen«, sagte Ralph Denk, Chef des deutschen Teams NetApp. Auf die Frage, ob der Bund Deutscher Radfahrer die Niederländer kopieren sollte, verschlossen sich freilich seine Gesichtszüge. »Das ist Sache des BDR«, sagte er. Von dem hat man aber noch keinen Wunsch nach solchen Initiativen vernommen.

Stärker als die Dopingaufarbeitung werden von den Teamchefs gegenwärtig Regeländerungen diskutiert, welche die Rennen attraktiver machen sollen. Ausreißer etwa könnten Zeitgutschriften bekommen. »Wir werden auch eine Verkleinerung der Teams auf sechs Starter testen. Dann kann man ein Rennen nicht mehr kontrollieren«, sagte der neue Katjusha-Manager Wjatscheslaw Jekimow. Ein paar Umbrüche im Radsport wird es also geben.

Tirreno-Adriatico, 4. Etappe

1. Froome (Großbritannien) 4:41:31 h

31. Voß (Bielefeld) + 3:38 min

Gesamtwertung

1. Kwiatkowski (Polen) 16:04:59 h

2. Froome + 0:04 min

30. Voß + 4:06

34. Martin (Kreuzlingen) + 6:00

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal