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Helle neue Gefängniswelt

Am 21. März eröffnet offiziell die neue Justizvollzugsanstalt Heidering

  • Jutta Schütz
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Fußmatte liegt schon bereit. Dort, wo die Häftlinge im neuen Berliner Gefängnis Heidering ankommen werden, steht auf einem Abtreter eine schlichte Botschaft: »Welcome«. Das graue Textilstück hat auf der anderen Seite noch einen Aufdruck: »Goodbye.«

»Wir sind hier kein Kerker, sondern eine moderne Berliner Justizvollzugsanstalt«, stellt Leiterin Anke Stein gleich klar. In den lichtdurchfluteten Häusern mit großen Fensterfronten, weißen Wänden, apfelgrünen Böden und rostroten Fassaden sieht es so gar nicht nach Knast aus - wäre da nicht ringsum der bis zu sechs Meter hohe Doppelmetallzaun mit Drahtrollen obendrauf. Dieser Tage wird überall auf der 15 Hektar großen Anlage im Endspurt gewerkelt, verspachtelt, gewuselt und angeschlossen. Am 21. März wird das neue Gefängnis offiziell eröffnet. Das Grundstück gehört der Hauptstadt. Es befindet sich allerdings im Land Brandenburg, nahe der Gemeinde Großbeeren, südlich von Berlin.

Dringend werde es gebraucht, sagen die Befürworter. Denn das deutschlandweit größte Männergefängnis in Berlin-Tegel ist veraltet und marode. Gerichte hatten Klagen von Häftlingen stattgegeben und ihnen eine verfassungswidrige Unterbringung bescheinigt. Die abgeschottete Anstalt in Tegel stammt aus dem Jahr 1898.

Kritiker finden Heidering dagegen überflüssig: Berlin leiste sich trotz leerer Kassen auf der grünen Wiese einen Prestigebau für 118 Millionen Euro, mit Kunst, ungewöhnlichen Farben und schicken Sportplätzen, von denen viele Schulen nur träumen könnten. »Luxus und Gefängnis schließt sich aus«, meint die Leitende Regierungsdirektorin Anke Stein bestimmt. »Wenn wir Menschen entlassen, die keine Freizeitstruktur erlernt haben, dann ist das nicht gut.« Und beim Fußball könnten Teamgeist und Umgang mit Niederlagen erprobt werden.

CDU-Justizsenator Thomas Heilmanns Sprecherin Lisa Jani ergänzt: »Wir erfüllen unseren gesetzlichen Auftrag, die besten Chancen für die Resozialisierung zu schaffen.« Ganz klar sei hier nach modernen Standards gebaut worden, die es vor 20 Jahren noch nicht gab. Zum Zwist mit dem Land Brandenburg, in dem viele Haftplätze frei sind, sagt Jani knapp: Eine Kooperation sei nicht zustande gekommen. »Strafvollzug ist Ländersache.« Die Brandenburger Seite fand es einen »Schildbürgerstreich«, dass das Nachbarland neu baut, während in der Mark Plätze frei sind.

»Ende April kommen die ersten Gefangenen«, sagt Gefängnisleiterin Stein. Sie werden aus Berliner Anstalten verlegt. Bis zum Jahresende sollen die 648 Plätze mit verurteilten Tätern belegt sein, die mehrjährige Haftstrafen verbüßen. Lebenslängliche werden nicht dabei sein.

Seit 2006 hat Stein das noch vom rot-roten Senat geplante Projekt in der Justizverwaltung begleitet und sich dann für den Chefposten beworben. »Das ist eine besondere Herausforderung«, schwärmt die resolute 42-Jährige. »Dieser Bau ist in der Frist und im Budget. Und der Brandschutz ist auch abgenommen«, spielt sie lächelnd auf das Desaster um den Hauptstadtflughafen an. Entstanden sind in Heidering auch Gemeinschaftsräume, in denen auf Ceranherden Insassen abends noch selbst etwas brutzeln können. In einem der angrenzenden kleinen Innenhöfe pflanzten Gärtner gerade eine kanadische Felsenbirne. Steins Stellvertreter Detlef Wolf hatte seinen Arbeitsplatz vorher in Tegel. »Das hier ist ein Quantensprung - so ein helles und offenes Klima«, sagt er. Seit Jahresbeginn arbeiten sich immer mehr der knapp 220 Bediensteten ein. Sie trainieren in den noch leeren Häusern den Schichtdienst.

In den anderen Berliner Gefängnissen sei die Stimmung der Bediensteten schlecht, weiß der Landeschef des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Thomas Goiny. »Heidering wird das neue Aushängeschild, da wird alles gemacht, damit es klappt«, findet er. Doch den sieben anderen Anstalten mit ihren 4600 Gefangenen drohe ein massiver Personalabbau. Da bleibe nicht viel mehr als Wegschließen der Gefangenen.

In der neuen Gefängniswelt gibt es dagegen ein schönes Extra. Der Langzeitsprechraum wirkt wie eine Wohnung mit Loggia. Die ist zwar vergittert, aber man kann hinaustreten für eine Zigarette oder etwas frische Luft. (dpa)

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