Unterwegs mit einem Champion

Mit Olaf Ludwig auf Radtour in Bulgarien

  • Hubert Thielicke
  • Lesedauer: 6 Min.
Mit dem Rad auf Mallorca oder Zypern - solche Offerten gibt es schon länger. Viele Radsportler suchen nun neue Herausforderungen - unter anderem in Bulgarien.

Ein Stück noch bergauf, dann eine kleine Pause zum Verschnaufen. Von der Anhöhe bietet sich der Radlergruppe ein faszinierendes Bild: Den Hügel hinab ziehen sich Weinberge, im Tal schimmern die Häuser einer kleinen Stadt, dahinter ragt eine Bergkette auf. Und schon geht es weiter, hinab nach Melnik, mit knapp 300 Einwohner die kleinste Stadt Bulgariens. Aber das Städtchen hat es in sich, sein Ensemble alter Häuser steht unter Denkmalschutz, berühmt ist der örtliche kräftige Rotwein. Von der Hauptstraße ziehen sich Wohnhäuser, kleine Geschäfte, Pensionen und Hotels an beiden Seiten des Flüsschens hinauf. Über dem Ort thronen die Ruinen der alten Burg. Man bräuchte schon einen Tag, um sich Stadt und Umgebung zu erwandern. Aber es steht eben noch mehr auf dem Tagesprogramm.

Die Radler müssen nun stark in die Pedalen treten, denn es geht die Berge hinauf, vorbei an merkwürdigen, spitz aufragenden Pyramiden. Es sind die für diese Gegend typischen Sandsteinberge. Nach größeren Regenfällen kommt es schon mal vor, dass die Straße von Sandhaufen bedeckt ist. Noch eine Steigung - das Dörfchen Roschen ist erreicht, Zeit für die Mittagspause im Dorfrestaurant.

Für den kulturhistorisch Interessierten wartet jedoch weiter oben in den Bergen ein ganz besonderer »Leckerbissen«. Festungsartig liegt das kleine Kloster Roschen auf einer Anhöhe über dem Tal, gegenüber die Kette der Sandsteinberge. Durch eine Pforte betritt man das Kloster und wird sofort von seiner Ausstrahlung in den Bann gezogen. Über den Innenhof ziehen sich Schatten spendende Weinreben hin, ein Brunnen plätschert, die Mönche und Besucher bewegen sich ruhig und gemessen. Außen- und Innenwände des Kirchleins inmitten des Hofes sind mit Wandmalereien bedeckt; beeindruckend auch ihr Ikonostas. Die Ursprünge des Klosters sind unbekannt; der Sage nach soll es vom Heiligen Iwan Rilski gegründet worden sein, der auch den Grundstein für das weltberühmte Rila-Kloster legte, etwa 100 Kilometer weiter im Norden. Viel Zeit bleibt nicht, um die beschauliche Stille zu genießen. Nach einem leichten Mittagessen radelt die Gruppe zurück ins Hotel nach Sandanski. Jedoch schon am Abend findet sie sich wieder ein im schmucken Dorfrestaurant von Roschen, dieses Mal per Bus. Denn nun ist Abschiedsabend.

Vielfältige Touren

Eine abwechslungsreiche, wenn auch anstrengende Woche liegt hinter den Radlern. Gemeinsam mit Olaf Ludwig haben sie auf sechs Tagestouren vom Kurort Sandanski aus den Südwesten Bulgariens erkundet. Wie kam der ehemalige Olympiasieger auf die Idee, gerade hier Radausfahrten zu organisieren? »Radtouren auf Mallorca oder Zypern gibt es schon seit längerem, viele Radler suchen etwas Neues. Wir haben uns deshalb bewusst für Bulgarien entschieden, man kann hier tolle Fahrten unternehmen «, so Olaf Ludwig. »Es geht uns aber nicht nur um Fitness, die Teilnehmer sollen auch Land und Leute kennenlernen. Im Südwesten Bulgariens gibt es vieles zu entdecken - uralte Klöster, Weinorte, Thermalquellen und phantastische Berge.« Landschaft und Orte tragen hier noch sehr ursprünglichen Charakter. Dass es sich um eine Reise der etwas anderen Art handelt, zeigt schon die Fahrt vom Flughafen Sofia ins etwa 160 Kilometer südlich gelegene Sandanski. Der Kleinbus kurvt durch das Rila-Gebirge bis in die Kurstadt, die von den malerischen Pirin-Bergen umgeben ist, viele davon über 2.500 Meter hoch. Am Ortseingang grüßt ein Spartakus-Denkmal - der spätere Führer des großen Sklavenaufstandes wurde hier gefangen und als Sklave von den Römern nach Italien gebracht.

Während der Tourismus an der bulgarischen Schwarzmeerküste bei vielen Deutschen wieder hoch im Kurs steht, scheint der Südwesten bisher eher ein »Dornröschen-Dasein« zu führen. »Die meisten ausländischen Touristen kommen aus Griechenland und Russland«, meint Illi Paskov, Chef des im Zentrum Sandanskis gelegenen Hotels »Sveti Nikola«. »Vor der Wende hatten wir hier sehr viele Gäste aus der DDR, die wegen unserer ausgezeichneten Luft ihren Gesundheitsurlaub oft über die Krankenkasse erhielten. Jetzt sind wir dabei, die Angebote in Richtung Wellness und Kulturtourismus weiter auszubauen.« Kein Wunder also, dass Olaf Ludwig mit seinen Radlertouren hier gut ankommt, trägt er doch dazu bei, die Region auch in Deutschland bekannt zu machen. Er und seine Kollegen sind in Sandanski inzwischen eine feste Institution, wozu auch ihr soziales Engagement beiträgt. Regelmäßig im September organisieren sie mit der Stadtverwaltung das Sportfest »Keine Macht den Drogen«, an der Schulen aus Sandanski, der Umgebung und sogar aus Mazedonien teilnehmen.

Von Kühen, Esel und einer »Hexe«

Während der mehrmals im Jahr stattfindenden Wochenkurse führt Olaf Ludwig die Leistungsstarken über täglich 60 - 100 Kilometer. Wer es ruhiger angehen möchte, fährt mit Michael Schiffner, ebenfalls ein bekanntes ehemaligen Radsportas, etwa 40 - 50 Kilometer. Und wer unterwegs doch mal Schwierigkeiten mit Bergen und Beinen hat, den nimmt der Kleinbus mit, der so genannte Besenwagen. Ziele gibt es mehr als genug: das Rila-Kloster, das idyllische Weinstädtchen Melnik, Bansko im Pirin-Nationalpark oder eine anspruchsvolle Bergetappe, die Gefühle wie bei der Tour de France aufkommen lässt. Auch Fahrten nach Griechenland und Mazedonien stehen auf dem Programm, denn die Gegend liegt im Drei-Ländereck.

Ausgangspunkt ist das Hotel »Pirin« am Stadtrand von Sandanski. Nach den anstrengenden Touren lässt es sich in seinem Thermal- und Wellness-Bereich gut ausspannen. Wer noch fitt genug ist, kann aber auch auf der Restaurant- und Kneipenmeile der Stadt bummeln. Zeit genug, um die Tour Revue passieren und den Tag in Ruhe ausklingen zu lassen. Ob beim abendlichen Essen oder während der mehr oder weniger harten Touren - schnell ist aus den Radlern aus allen Teilen Deutschlands ein zünftiges Team geworden. Bernd aus Bochum, schon das zweite Mal dabei, schätzt nicht nur die gute Organisation der vielfältigen Touren, sondern auch die Kameradschaft in der Gruppe. Das meint auch Rolf aus Aachen, der besonders die abendlichen Gespräche zwischen Deutschen aus Ost und West interessant findet, denn »immer noch haben wir uns viel zu erzählen, können uns über unsere Erfahrungen austauschen.« Auch Erich aus dem Erzgebirge lobt die Kameradschaft und den unkomplizierten Umgang mit Olaf Ludwig, immerhin ehemaliger Olympiasieger: »Wenn ich mal am Berge hängen bleibe, kann ich darauf setzen, dass Olaf kommt und mich schiebt.«

Überhaupt die Berge - da weiß eigentlich jeder eine Geschichte zu erzählen. Mehr als einmal kam es schon vor, dass eine Kuhherde über die Straße trottete und die Radler zum Anhalten zwang. Oder der »Eselsberg«: Vor Sandanski war noch eine Steigung zu nehmen, die Gruppe keuchte schwitzend hinauf. Auf halber Höhe überholte sie einen Eselskarren, der behende dahin zog. Zwei Radler sahen das als willkommene Gelegenheit, um sich anzuhängen. Sie hatten aber nicht mit dem Esel gerechnet, der einfach stur stehen blieb, wie es eben seine Natur ist. Beeindruckend die Tour nach Petritsch zum »Heiligtum« der Baba Wanga. Die Frau, die durch ihre hellseherischen Fähigkeiten berühmt wurde, lebte viele Jahre an den dortigen heißen Quellen und wurde in einer eigens für sie errichteten Kapelle bestattet. Angeblich soll sie vor mehr als 30 Jahren auch die folgenden weltweiten Umbrüche vorausgesagt haben, das bulgarische Gegenstück zum französischen Nostradamus gewissermaßen.

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