Jobcenter nicht effizient

Verwaltung verschlingt fast soviel wie Eingliederung der Arbeitslosen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt sind sie gegründet worden, die Jobcenter. Nun stellt sich heraus, dass die Verwaltung fast so viel kostet wie die Vermittlungstätigkeit.

Im Jahr 2011 haben die Jobcenter in Brandenburg Eingliederungsleistungen in Werte von 201,7 Millionen Euro erbracht. An Verwaltungskosten für diesen Vorgang fielen in der gleichen Zeit 188 Millionen Euro an, teilte Sozialminister Günter Baaske (SPD) mit. Dies heißt, das Betreiben der Jobcenter kostet annähernd so viel wie die Leistung, für die sie eigentlich da sind. Baaske zufolge führt das Land Brandenburg über diese Dinge keine eigene Statistik. Er berufe sich auf Angaben der Bundesregierung, erklärte er.

So schlecht war das Verhältnis in keinem anderen Jahr. 2008 fielen im gesamten Bundesland Wiedereingliederungsleistungen im Werte von 205 Millionen Euro an. Sie zu erbringen kostete 118 Millionen, also gut die Hälfte. Ein Jahr später standen 307 Millionen Eingliederungsleistungen einem Verwaltungsaufwand von 190 Millionen Euro gegenüber. 2010 war die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt 299 Millionen Euro teuer, fast 200 Millionen Euro musste der Steuerzahler für die verwaltungstechnische Umsetzung ausgeben.

Die Jobcenter sind für die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch II zuständig, erinnerte der Landtagsabgeordnete Detlef Baer (SPD), der sich mit einer parlamentarischen Anfrage an die Landesregierung gewandt hatte. Die Jobcenter ersetzten stellenweise die traditionellen Arbeitsämter. Dies geschah im Zuge fragwürdiger Hartz-Reformen unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD). »Mit dem Konzept des Förderns und Forderns sollen die Kunden in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden«, erklärte Baer.

Problem der Jobcenter ist, dass Arbeitslose oft nur in den Niedriglohnsektor vermittelt werden. Sie sind dann mitunter auf zusätzliche staatliche Unterstützung angewiesen. Hinzu gesellt sich die Erfahrung, dass angebotene Stellen oft nur befristet sind. Vor anderthalb Jahren wurde bekannt, dass es sich bei den 10 315 der Arbeitsagentur gemeldeten freien Stellen zur mehr als einem Drittel um befristete Angebote handelt. Jede vierte dieser Stellen sei darüber hinaus lediglich eine Teilzeitstelle.

Aber auch regulär eingestellte Mitarbeiter werden oft schlecht und unterhalb der Normen für einen Mindestlohn bezahlt. Mit Blick auf die niedrigen Löhne in der gewerblichen Wirtschaft des Bundeslandes mahnte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), als Billiglohnland habe Brandenburg »keinerlei Chance und Zukunft«. Dies nannte Platzeck seine »tiefe Überzeugung«. Wenn keine ansprechenden Löhne gezahlt und nicht mehr Lehrlinge nach der Ausbildung übernommen werden, »kann es gefährlich werden«. Es sei daher kein Wunder, wenn sich junge Fachkräfte auf den Weg in den deutschen Südwesten machen mit der Begründung: »Da werden wir übernommen, dort gibt es Tariflohn.«

Der von der Politik begrüßte Rückgang der Arbeitslosigkeit in Brandenburg auf derzeit zehn Prozent entsteht unter anderem auch dadurch, das ältere Menschen aus der Statistik herausfallen. Außerdem wird sich die Zahl der erwerbsfähigen Menschen binnen der kommenden zehn Jahre um fast ein Drittel verringern. Während gegenwärtig 1,6 Millionen Menschen in Brandenburg arbeitsfähig sind, werden es danach rund 500 000 weniger sein, erläuterte Sozialminister Baaske. Statistisch wird sich auch das auf die Arbeitslosenquote dämpfend auswirken.

Die Zufriedenheit auch der brandenburgischen SPD mit der »Agenda 2010« ihres Genossen und Altkanzlers Gerhard Schröder wird vom Koalitionspartner LINKE ausdrücklich nicht geteilt. Vermittels dieses »Pakets« sei die Gefahr sehr groß geworden, binnen kürzester Zeit von einem Leben auf normalem Standard in die Armut zu rutschen, sagte die Landtagsabgeordnete Birgit Wöllert (LINKE). Und bei einem ständig wachsenden Anteil der Brandenburger sei diese Gefahr bittere Realität geworden. »Die Bilanz dieser Politik ist verheerend«, erklärte Wöllert. Rund 42 Prozent der Beschäftigten in Brandenburg verdienen weniger als 1802 Euro, dies heiße, ihr Einkommen liege unterhalb der Niedriglohnschwelle. Und der Reallohn sei in den vergangenen Jahren gesunken.

Die Aussichten der Betroffenen auf die Rente seien als minimal einzustufen, sagte Wöllert. Altersarmut stehe für sie vor der Tür. Der im Rahmen der »Agenda 2010« verheißene Ausweg, via privater Versicherung die »Lücke zu schließen« ist laut Wöllert ein Scheinrezept. Private Anlagen seien in jedem Falle Risikoanlagen und keine »sichere Altersvorsorge«. Dass so dem örtlichen Handel Mittel entzogen werden, die in die spekulierende Finanzwirtschaft fließen, verschärfe das Problem. Da viele Menschen Rentenerwartungen unterhalb des Sozialhilfesatzes haben, werde ihnen eine Riester-Rente auch nicht mehr Geld bringen.

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