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Der schwierige Freund

Polen und Deutschland - eine hochpolitische Geburtstagsfeier im Gardecasino

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Das vornehm besetzte Kuratorium »Pro Brandenburg« hat Ende der Woche die langjährige Vorsitzende Etta Schiller zum 80. Geburtstag geehrt. Schiller arbeitete seinerzeit als Direktorin der Oberfinanzdirektion Cottbus. Sie blieb nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben aktiv im gesellschaftlichen Leben. Besonders liegen ihr die deutsch-polnischen Beziehungen am Herzen. Das beteuerten Lobesredner.

Daher schien es »Pro Brandenburg« geraten, die Geburtstagsfeier als Symposium zum Thema »Nationale Identitäten und Nachbarschaft von Polen und Deutschen im geeinten Europa« auszurichten.

Die Jubilarin selbst hatte eingangs die These aufgestellt, es sei Freundschaft was die beiden Völker heute verbinde. Und das sei ja wohl ein Geschenk. Zeitgleich weilte der einstige US-Außenminister Henry Kissinger in London bei der Beerdigung von Großbritanniens Ex-Premierministerin Thatcher. Von Kissinger stammt der Satz, Staaten hätten keine Freunde, sondern Interessen. Ein Interessenausgleich, das wäre angesichts der belasteten Geschichte zwischen Brandenburg- Preußen-Deutschland und Polen nicht wenig. In der Diskussion bei dem Symposium äußerte der frühere polnische Botschafter Janusz Reiter, die Polen heute hätten »noch die wenigsten Probleme damit«, dass Deutschland der mächtigste Staat Europas sei und diese Rolle auch spiele. Dies sei erstaunlich, denn jahrhundertelang hegten beide Seiten nicht unbedingt freundschaftliche Gefühle füreinander.

Der Verein »Pro Brandenburg« richtete die Veranstaltung übrigens im »Casino der Garde du Corps« aus. Das ist eine der vielen nach der Wende in Potsdam aus dem Boden geschossenen Anspielungen auf die Vergangenheit der Stadt als preußische Garnison und damit zugleich auf eine Zeit, in der Preußen Teile Polens besetzt hielt und die Bevölkerung schurigelte.

Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (für SPD) überbrachte Schiller die Glückwünsche des Ministerpräsidenten. Matthias Platzeck (SPD) lege auf die Kontakte zu Polen großen Wert, erklärte sie.

In Brandenburg ist die Pflege guter Beziehungen zu Polen ein Verfassungsgrundsatz. Laut Professor Richard Schröder, dem Vorsitzender der Nationalstiftung, ist dies keine Selbstverständlichkeit im Verhältnis beider Seiten, denn noch lange Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg habe es Feindseligkeit gegeben. Die Diskussion ergab dann noch, dass Polenwitze in der DDR-Bevölkerung gern erzählt wurden, während Westdeutsche in der Zeit des Kriegsrechts in den 1980er Jahren Pakete nach Polen schickten. Für Polen habe sich damals der Ostdeutsche als böser, der Westdeutsche als guter Deutscher herausgestellt, behauptete Ex-Botschafter Reiter.

Der Wert solcher Veranstaltungen liegt oft nicht so sehr im Gesagten, sondern darin, sich bewusst zu machen, was alles verschwiegen wurde. Bekanntlich war nicht die DDR dafür verantwortlich, dass ein tiefer Hass zwischen Deutschen und Polen über Jahrhunderte geschürt wurde. Dass die DDR die Oder-Neiße-Grenze umgehend anerkannte und demonstrativ als Oder-Neiße-Friedensgrenze bezeichnete, dürfte geläufig sein. Die DDR hat Polen auch Beziehungen zum gegenseitigen Vorteil angeboten, während die Bundesrepublik mit Gebietsforderungen jahrzehntelang das politische Klima in Europa vergiftete. Doch davon bei der Veranstaltung kein Wort.

Von »deutsch sprechenden Polen« war nach der Wende die Rede, wenn gegenüber Ostdeutschen Verachtung über deren angebliche »Unfähigkeit zur Initiative« zum Ausdruck gebracht werden sollte. Bei der Oderflut 1997 sind Spenden aus dem Westen eingetroffen mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass diese Gaben »nicht für Polen« gedacht seien.

In der DDR förderte der Staat die Bekanntschaft mit polnischer Musik, Malerei, Literatur und Filmkunst. Die eingefleischte deutsche Ignoranz gegenüber slawischen Völkern war aufgebrochen. Nach der Wende hat sie wieder zugenommen. Das Land Brandenburg hat sich in der Tat sehr bemüht, unter anderem mit dem deutsch-polnischen Jugendwerk, einschlägigen Rundfunkprogrammen oder auch dem geförderten Festival des osteuropäischen Films, dem entgegenzusteuern.

Ex-Botschafter Reiter konnte sich vor dem Verein »Pro Brandenburg« noch gut an das Dröhnen der NVA-Militärparade zum 40. Jahrestag der DDR erinnern. Ein Schauder durchzog den Saal. Wäre es wirklich zu viel gewesen, daran zu erinnern, dass die NVA die Streitkräfte der verbündeten Volksrepublik Polen als Waffenbrüder betrachtet hat, dass sie im Gegensatz zu preußischen, kaiserlichen und faschistischen Truppen niemals eine Bedrohung gewesen ist und Polen nie angegriffen hat? Und dass die DDR und die Volksrepublik nie Krieg führten, während sich dies vom heutigen Deutschland und vom heutigen Polen leider nicht behaupten lässt, weil sie ihre Soldaten zu Auslandseinsätzen schicken.

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