Die Schrecken des Krieges

Das Deutsch-Russische Museum öffnet morgen nach seiner Neugestaltung

  • Esteban Engel, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ruhm dem Großen Krieg« steht in kyrillischer Schrift über der Eingangshalle in der Villa in Berlin-Karlshorst. Den Krieg, den der goldene Schriftzug meint, hat das Haus fast unbeschadet überstanden. Im Garten des Deutsch-Russischen Museums Berlin-Karlshorst stehen einige Panzer und ein Raketenwerfer.

Das Museum, das am Ort der deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg an den Überfall auf die Sowjetunion 1941 erinnert, wird nach einer Neugestaltung am kommenden Mittwoch von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) wieder eröffnet.

In Karlshorst wurde zwar nicht der Frieden besiegelt. Doch nachdem am 9. Mai 1945 kurz nach Mitternacht General Wilhelm Keitel und die anderen Spitzen der Wehrmacht ihre Unterschriften unter die Urkunden gesetzt hatten, schwiegen in Europa die Waffen.

Im holzgetäfelten Saal des einstigen Wehrmachtkasinos steht auf der Stirnseite ein langer Tisch mit den Fahnen der Siegermächte. Die deutschen Generäle durften an einem Katzentisch Platz nehmen. Nachdem sie in diesem letzten Akt des Krieges zur Unterschrift angetreten waren, verließen sie den Raum. Amerikaner, Franzosen, Briten und Russen feierten danach den Triumph bis in die Morgenstunden.

Nebenan strahlt das einstige Büro von Generalmajor Georgi Schukow noch immer sowjetischen Charme aus. Der Kriegsheld, der die Rote Armee in der Schlacht um Berlin angeführt hatte, herrschte nach 1945 hier als Chef der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) bis zur DDR-Gründung 1949. Danach war im »Berliner Kreml« das Oberkommando von Moskaus Militärmission untergebracht. Erst später richteten die DDR und Sowjetunion das »Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg« ein.

»Wir sind ein Kriegsmuseum«, sagt Direktor Jörg Morré. Das Haus ist ein Experiment in deutsch-russischer Zusammenarbeit. Historiker aus beiden Ländern gehören dem Trägerverein an und verständigen sich immer wieder über die gemeinsame Geschichte. Nicht immer sei man einer Meinung, doch stets gebe es am Ende einen Konsens. Auf zehn Stationen zeichnet das Museum in seiner neuen Aufmachung die »Operation Barbarossa« und ihre Folgen nach. Wo noch vor drei Jahren Dokumente und Objekte in Vitrinen und Tafeln eher nüchtern an den Überfall erinnerten, haben der Historiker Morré und seine Kollegen eine Inszenierung aufgebaut, die dem Besucher die Gräuel des Krieges nicht erspart. Ob eine zerrissene Gefangenenjacke, Kinderschuhe aus dem Konzentrationslager Majdanek, Briefe oder eine Kalaschnikow - das millionenfache Leiden bekommt ein Gesicht. Am Beispiel von 15 Sowjetbürgern und Deutschen werden einzelne Lebenswege durch die Kriegsjahre nachgezeichnet.

Auf dem Gang durch die Ausstellung stoßen die Besucher bald auf einen schwarzen Klotz. In dem verdunkeltem Kubus werden die »verbrecherischen Befehle« für den Überfall auf die Sowjetunion ausgestellt. »Um diesen Raum kommt keiner herum.« Wer sehen wollte, hätte aber auch damals sehen können, sagt Morré. In einem anderen Saal zeigt eine Berlin-Karte mit Hunderten weißer Punkte, wie sich die Lager für die Zwangsarbeiter wie ein Netz über die Stadt legten. »Niemand kann behaupten, dass die Deutschen von den Gefangenen nichts wissen konnten.« Im Keller blickt die Ausstellung dann auf die Folgen des Überfalls: die Teilung Europas und der Kalte Krieg.

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