Höllenlärm und Hexenspuk im Harz

Das Touristenspektakel Walpurgisnacht hat heidnischen und christlichen Ursprung

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Harz ist in der Nacht zum 1. Mai wieder der Teufel los. Hexen reiten auf ihren Besen, Drachen verlassen ihre Höhlen, Trolle tummeln sich auf Straßen und Plätzen. In rund 25 Orten des Mittelgebirges geht in der Walpurgisnacht höllisch die Post ab.

Von Gernrode aus bringt ein »Dämonenexpress mit diabolischer Reiseleitung« eine ganze Schar von Hexen und Teufeln zum Hexentanzplatz nach Stiege - hier können mutige Besucher dann den Führerschein auf dem Hexenbesen machen. In Braunlage ist ein »schaurig-schöner Umzug« angekündigt. Mit einer »teuflisch verhexten« Walpurgisnacht lockt die Kleinstadt Bad Sachsa. Die größte Walpurgis-Party, das verspricht der Harzer Tourismusverband, steigt auf dem sagenhaften Hexentanzplatz in Thale.

Was seit einigen Jahrzehnten als Touristenevent inszeniert wird, geht auf frühmittelalterliche heidnische Bräuche und Aberglauben zurück. Damals sollen in der Walpurgisnacht die Hexen auf Besen, Mistgabeln und Katzen zum Brocken geritten sein, um sich dort am Feuer mit dem Teufel zu vergnügen. Für die richtige erotische Stimmung sorgte eine aus Misteln, Johanniskraut, Stechapfel, Tollkirsche und anderen »magischen« Zutaten hergestellte Salbe, mit der die Hexen sich und ihre Fluggeräte einrieben. Unterwegs verhexten sie aus Jux alles, was ihnen in die Quere kam.

Um ihr Vieh zu schützen, hefteten die Bauern Kreuze und Kräuterbüschel an die Stalltüren. Auch Peitschenknallen, das Läuten von Kirchenglocken und das Entzünden großer Feuer galten als Erfolg versprechende Abwehrmaßnahmen. Wenn man neun Sorten Holz bei sich trug oder auf einem Schemel kniete und betete, mussten die oft als Reisigsammlerinnen getarnten Hexen ihre wahre Identität preisgeben. Im Kalender satanistischer Gruppen hat der 30. April als »Satans Geburtstag« bis heute große Bedeutung, sagt der evangelische Sektenexperte Ingolf Christiansen aus Göttingen.

Der Walpurgiskult hat aber auch christliche Ursprünge. So ist der 1. Mai einer von zwei Namenstagen der Volksheiligen Walpurga. Sie wurde um 710 in England geboren, war Schwester der heiligen Brüder Willibald und Wunibald sowie eine Cousine von Bonifatius und Begründerin des Benediktinerinnen-Klosters in Heidenheim. Nach ihrem Tod am 25. Februar 779 wurden Walpurgas Gebeine nach Eichstätt in Bayern gebracht. Aus der Steinplatte, auf der ihre Reliquien ruhen, soll alljährlich eine ölähnliche Flüssigkeit quellen - das Walpurgisöl, das gegen alle Anfechtungen des Leibes und der Seele gut sein soll und in kleinen Fläschchen an die Gläubigen verkauft wird.

Auf dem Brocken, er ist der höchste Berg im Harz, gab es die erste für Touristen organisierte Walpurgisfeier übrigens im Jahr 1896. Ab 1899 konnten die Gäste mit der Brockenbahn den Berg hinauffahren. Aber bereits zwei Jahre später bereitete der damalige Brockenbesitzer, der Fürst von Stolberg-Wernigerode, dem Spektakel per Dekret ein Ende. Felsformationen auf dem Brocken heißen bis heute Hexenaltar und Teufelskanzel.

Mehr als 100 000 Gäste werden in diesem Jahr im Harz zu den Walpurgisfeiern erwartet. Der Harzer Tourismusverband hat dazu eine Broschüre mit allen Terminen und Orten veröffentlicht (www.harzinfo.de).

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