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Tausende kontra NPD

Nazi-Aufmarsch wird von Polizei mit Hilfe von Pfefferspray und Wasserwerfer durchgesetzt

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist punkt 12.03 Uhr, als die Polizisten die Trägerketten am Unimog-Kran in der Brückenstraße in Berlin-Niederschöneweide hochfahren. Ruckartig löst sich dadurch die massive Betonpyramide mitsamt der vier angeketteten Menschen vom Straßenboden, die über Stunden die Route des rechtsextremen Aufmarsches der NPD an dieser Stelle blockiert hatten. »Die Polizei gefährdet die Gesundheit der Blockierer«, meint die Ärztin Kirsten Schubert von der Nichtregierungsorganisation Medico International, die die Blockierer ab dem frühen Morgen begleitet hat.

Das mit der Gefährlichkeit sieht der Polizeiführer Michael Knape, Leiter der örtlichen Direktion 6, indes anders: »Die Fachleute haben gesagt, das Risiko, sie zu verletzen, ist äußerst gering«, sagt Knape. Seine »Fachleute« sind Polizisten aus Niedersachsen, die von Atommülltransporten aus dem Wendland bereits häufiger ähnliche Pyramiden kennengelernt haben und zur Beseitigung solcher Hindernisse über das nötige Spezialwerkzeug verfügen. Kurz wirft auch Innensenator Frank Henkel (CDU) mit Polizeipräsident Klaus Kandt einen Blick auf die Blockade. Henkel sagt: »An einem solchen Tag muss jeder für sich selbst entscheiden, ob solch ein Protest angemessen ist, wo es die Polizei ohnehin so schwer hat.«

Faktencheck: Raus, raus zum 1. Mai - aber wohin?

Wo der Stressfaktor wie hoch ist, wo es sich bestens feiern lässt, lesen Sie im Faktencheck von Sarah Liebigt.

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Unter Rufen wie »1. Mai bleibt Nazifrei« werden die unverletzten Blockierer schließlich von der Polizei weggefahren. Ihnen droht eine Anzeige wegen Nötigung, wie ein Polizeisprecher gegenüber »nd« betont. Die Pyramidenblockade der Aufmarschstrecke der Neonazis am 1. Mai in Berlin ist sicher einer der spektakulärsten Protestformen gegen die Rechten am 1. Mai, doch bei weitem nicht die Einzige: Insgesamt mehrere tausend Anwohner, Antifaschisten und Bürger beteiligen sich an Kundgebungen und Demonstrationen gegen die rechtsextreme NPD.

Bereits in der Walpurgisnacht hatten mehr als 3000 Menschen mit einer Demonstration und einem Konzert ein starkes Zeichen gegen die Rechtsextremisten gesetzt, die rund um den S-Bahnhof Schöneweide einige Geschäfte betreiben, weshalb der Kiez als rechte Hochburg bezeichnet wird.
Doch trotz der regen Teilnahme kann der Nazi-Aufmarsch an diesem 1. Mai in Berlin nicht verhindert werden. Ab 13 Uhr setzen sich rund 450 Neonazis aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern vom S-Bahnhof Schöneweide über die Spree nach Oberschöneweide in Bewegung. An der Spitze des rechten Aufmarsches läuft der NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel, neben ihm marschiert sein Vorgänger Udo Voigt.

Obwohl der neue Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt im Vorfeld zugesagt hat, dass Protest in direkter Nähe zum Nazi-Aufmarsch gestatten sein wird, ist die Route der Rechten teilweise weiträumig abgesperrt. Augenzeugen berichten gegenüber dieser Zeitung von brutalem Einsatz von Pfefferspray gegenüber Demonstranten in der Nähe eines Baumarktes. Auch ein Wasserwerfer kommt zum Einsatz. Am Vormittag hatte der Polizeipräsident Klaus Kandt noch betont, dass er »sehr zufrieden« mit dem Verlauf der Walpurgisnacht gewesen sei. Auch der Innensenator Frank Henkel, der sich vor Ort mit einem Tross Personenschützer ein Bild von der Lage machte, hatte betont, dass die Polizei »professionell und sehr besonnen« agieren werde.

Davon kann aus Sicht von Hans Erxleben im Anschluss an die Anti-Nazi-Proteste keine Rede sein. »Das war ein hilfloses, überdimensioniertes Agieren der Polizei«, sagt der Bezirkspolitiker der LINKEN, der sich seit Jahren vor Ort gegen die Rechtsextremisten engagiert. »Und es war sicher kein Bravourstück für den Polizeipräsidenten.«

Doch nicht nur Anwohner und Antifaschisten werden offenbar am Protest gegen die Rechten gehindert, sondern auch die verfassungsgemäßen Kontrolleure der Polizei: die Parlamentarier. »Mitglieder des Abgeordnetenhauses und des Bundestages wurden an ihrer Arbeit gehindert«, berichtet der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf. Gegenüber den Vorjahren sei der Ton rauer geworden, meint der Innenexperte. Seine Fraktion will den Polizeieinsatz am 1. Mai in Nieder- und Oberschöneweide im kommenden Innenausschuss des Abgeordnetenhauses nachbereiten.

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