Eine »Außenpolitik in Rot-Rot-Grün«?

  • Lesedauer: 3 Min.

Der sehr geschätzte Kollege Stefan Reinecke hat in der »Tageszeitung« am Wochenende für ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken plädiert. »Zeit für Rot-Rot-Grün« ist sein Stück überschrieben und vor allem als Appell an die Grünen zu lesen, »eine Regierung zu organisieren, die zum Programm passt«.

Nun ist allerdings auch bekannt, dass in den drei genannten Parteien über den geistigen Tellerrand des politischen Normalbetriebs in Wahlkampfzeiten noch seltener als üblich hinausgedacht wird. Und auch in der Anhängerschaft wird die Begeisterung nicht überborden: Den einen gilt ein solches Bündnis als Stein, welcher die Linkspartei tief ins Brackwasser der Unglaubwürdigkeit ziehen würde. Die anderen verweisen auf die vielen politischen Differenzen. Und wer bei SPD und Grünen einen Spitzenjob abbekommen hat, muss einen Refrain auswendig kennen, demzufolge die Linkspartei an so genannter »Regierungsunfähigkeit« leidet.

Stefan Reinecke schreibt in seinem Kommentar, »die gefühlten Differenzen zwischen Linkspartei und Rot-Grün« seien in Wahrheit »größer als die realen«. Und: »Auch in der Bundes- und Außenpolitik gibt es keine unüberwindlichen Differenzen, die geschickte Unterhändler nicht in Formelkompromissen entsorgen könnten.«

Ob dieser Hinweis näherer Betrachtung standhält, lässt sich in einem kleinen Bändchen überprüfen, das die Zeitschrift »Welttrends« gerade veröffentlicht hat. Zwölf mehr oder weniger prominente Namen von SPD, Grünen, Linken (und Piraten) arbeiten sich darin an einer ebenso naheliegenden wie schwer zu beantwortenden Frage ab: Gibt es einen Ansatzpunkt auf dem Feld der Außen-, Sicherheits- und Europapolitik, der eine politische Kooperation auf Zeit gestatten würde, ohne dass dabei einer der Beteiligten zentrale und/oder symbolisch wichtige Positionen aufgeben müsste?

Rot-rot-grüne Außenpolitik? Geht ja gar nicht, könnte man meinen. Und wer die seit vergangenen Sommer in der Zeitschrift »Welttrends« erschienen (siehe auch hier) und nun auf knapp 60 Seiten versammelten Beiträge noch einmal als »Gesamtwerk« liest, wird auch nicht unbedingt zu einer anderen Auffassung gedrängt. Die hier dokumentierte Debatte, heißt es im Vorwort, zeige, »dass eine argumentative Auseinandersetzung mit den vermeintlich unvereinbaren Positionen nach wie vor aussteht«.

Wer nun sagt, dann brauche man auch eine solche Sammlung von Aufsätzen nicht, irrt dennoch. Denn es finden sich darin nicht nur begründete Argumente gegen das Abenteuer, sich auf eine »Außenpolitik in Rot-Rot-Grün« einzulassen, sondern auch lesenswerte Anregungen, sich dem Unmöglichen trotzdem zuzuwenden. All das ist in Zeiten, in denen die Beinahe-Gewissheit einer kommenden großen Koalition jeder Lust auf politische Alternativen den Atem zu nehmen droht, schon eine ganze Menge.

Dass die Hälfte der Autorinnen und Autoren aus der Linken und ihrem Umfeld kommt, mag man als ein Zeichen dafür sehen, dass die Bereitschaft zu der Debatte in dieser Partei am wenigstens unter dem Eindruck wahlpolitischer Selbstbeschränkung steht. Oder natürlich als einen Beleg für die Bandbreite der innerhalb der Parteigrenzen verbreiteten Auffassungen zum Thema.

Christoph Sebastian Widdau und Tom Haberstroh (Hrsg.): Außenpolitik in Rot-Rot-Grün? Zwischen Konflikt und Kooperation. Mit Beiträgen von Niels Annen, Michael Kellner, Stefan Liebich, Angelika Beer, Wolfgang Gehrcke, Rolf Mützenich, Ska Keller, Jan van Aken, Viola von Cramon, Christine Buchholz, Gerry Woop und Erhrard Crome, Welttrends Verlag, Potsdam, 6,90 Euro. Weitere Informationen und Bestellmöglichkeit hier.

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