Das Großprojekt BürgerInnenbeteiligung

Die Wutbürger vernetzen sich über die Landesgrenzen hinweg

  • Laura Valentukeviciute
  • Lesedauer: 3 Min.
Laura Valentukeviciute engagiert sich bei attac und arbeitet als Koordinatorin bei Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB).
Laura Valentukeviciute engagiert sich bei attac und arbeitet als Koordinatorin bei Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB).

Mindestens drei könnte jetzt wahrscheinlich jeder auf Anhieb aufzählen, sogar aus dem Tiefschlaf geweckt: BER, Stuttgart21 und Elbphilharmonie. Richtig, das sind einige der Großprojekte, die gerade Schlagzeilen machen, und es gibt noch mehr davon: alleine in Berlin die Stadtautobahn A100, das Stadtschloss oder das Projekt Mediaspree, das mit Abrissplänen für einen Teil der East-Side-Gallery gerade wieder in den öffentlichen Blick geriet.

Diese und andere Großprojekte werden vom 25. bis 29. Juli in Stuttgart beim 3. Forum gegen unnütze und aufgezwungene Großprojekte vorgestellt und Gegenstrategien diskutiert. Das 2. Forum fand im Juli 2012 in Notre-Dame-des-Landes in Frankreich statt, wo ein Großflughafen entstehen soll. Der Anfang für die Foren im Jahr 2011 wurde im italienischen Susatal gemacht, wo die AktivistInnen sich gegen einen Gebirgstunnelbau wehren.

Dass der Protest in der letzten Zeit internationaler wird, ist nicht verwunderlich. Letztendlich sind auch die Akteure, die die Projekte durchführen, weltweit aktiv. Wenige große Bauunternehmen sind bei den Projekten zu finden. Sie sind auf den internationalen Aktienmärkten aktiv, übernehmen sich gegenseitig und gründen Tochtergesellschaften in vielen Ländern, auch in Steueroasen. Die Akteure und ihre Strukturen zu erkennen, ihre Verhaltensmuster aufzudecken und, wo es geht, Druck aufzubauen, ist das Ziel und der Verdienst der Aktiven.

Allerdings bleibt die größte Aufgabe weiterhin, zu Hause jedes einzelne Projekt kritisch zu begleiten: sich selber und die MitbürgerInnen über die Projekte zu informieren, die Planfeststellungsverfahren zu verfolgen, (Gegen-)Gutachten zu erstellen und insbesondere eine kritische Masse zu mobilisieren, damit man von der Politik überhaupt gehört wird. Das Ganze erfordert viele Ressourcen und wird von der offiziellen Politik nicht nur nicht gefördert, sondern ist gar nicht erwünscht. Die wichtigste Frage, die die meisten PolitikerInnen im Hinblick auf Proteste gegen Großprojekte stellen, ist nicht, wie mehr echte BürgerInnenbeteiligung ermöglicht werden kann, sondern wie sie den Anschein erwecken können, die BürgerInnen mitentscheiden zu lassen.

Dazu passt auch, dass die Rahmenbedingungen für eine echte BürgerInnenbeteiligung nicht erfüllt sind und die regierenden Parteien sich auch dagegen stemmen. Die wichtigste Bedingung ist dabei die Transparenz, aber bisher gibt es keine Regelung, die besagt, dass die BürgerInnen explizit und umfassend über die Projekte informiert werden müssen. Auch das neue Informationsfreiheitsgesetz ist nur eine Scheinlösung. Damit kann man nur nach Informationen fragen, von denen man weiß, dass es sie gibt. Die erste Stufe der BürgerInnenbeteiligung sollte aber sein, über das Vorhaben, also noch nicht das Projekt, zu informieren und dabei auch zur Entscheidung zu stellen, ob die BürgerInnen das Vorhaben überhaupt als sinnvoll erachten.

Dass Transparenz die entscheidende Rolle spielt, konnte man auch am 25. April in der Bundestagsdebatte zu Public Private Partnerships (PPP) sehen. Denn seit Jahren werden im Bundestag Anträge für mehr Transparenz gestellt, und seit Jahren wird doch nichts dafür getan. Es wird nur dauernd wiederholt, wie auch im von CDU/CSU und FDP verabschiedeten Bundestagsbeschluss: Transparenz muss gewährleistet werden – wenn sie den schutzwürdigen Interessen der privaten Partner nicht schadet!

Da die Frage nach Transparenz offensichtlich einen Nerv trifft, muss darauf der Protest auch als erstes zielen. So auch im kommenden Forum in Stuttgart. Sonst werden wir immer nur damit beschäftigt sein, die bereits ausgebrochenen Brände zu löschen: BER, Elbphilharmonie, Stuttgart21 und viele andere.

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