Gift in Dämmstoffen belastet das Grundwasser

Den Grünen zufolge besteht Krebsgefahr, aber der Bauminister hält ein Verbot für nicht durchsetzbar

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer sein Haus oder seine Wohnung dämmt, wähnt sich auf der Seite der Guten. Er spart Heizkosten und schont damit auch die Umwelt. Doch es gibt eine Kehrseite. Die Grünen erkundigen sich jetzt, inwiefern Giftstoffe aus Dämmmaterial das Grundwasser belasten.

Aus Sicht der Landtagsabgeordneten Sabine Niels und Michael Jungclaus (beide Grüne) können von den Dämmstoffen Gefahren ausgehen. Damit die gedämmten Fassaden nicht von Algen befallen werden, enthalten die Fassadenfarben giftige Biozide. Diese Stoffe - sie werden zum Teil auch in der Landwirtschaft als Insektenschutzmittel verwendet - seien »sehr giftig für Wasserorganismen«, erklären die Abgeordneten. Die Biozide können »in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben« und »vermutlich Krebs erzeugen«.

Niels zufolge ist es üblich, dass der zumeist aus aufgeschäumten Kunststoffen oder Glasfasern basierende Dämmstoff eine Außenhaut erhält, »die optisch einer traditionellen Putzfassade ähnelt«. Doch habe diese Versiegelung den Nachteil, dass sie nicht atmungsaktiv ist und keine Feuchtigkeit speichern kann. Der darauf basierenden Anfälligkeit für Algenbefall werde mit den giftigen Fassadenfarben begegnet. Die Farben werden durch Regen ausgewaschen und finden sich im Grundwasser wieder, warnt die Politikerin.

Die Grünen verweisen auf »Feldversuche in der Schweiz«, wonach aus einer Siedlung mit mehrgeschossigen Häusern die doppelte bis zehnfache Menge an solchen giftigen Wirkstoffen pro Hektar in die Gewässer gelangen könne als aus der Landwirtschaft. Kläranlagen können das Gift demnach nicht herausfiltern. Niels und Jungclaus berufen sich außerdem auf das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen, das zwischen 2008 und 2012 rund 660 Grenzwertüberschreitungen festgestellt habe. Zum Teil hätten die Werte um das 50-Fache höher gelegen als die Zielvorgabe durch das Bundesumweltamt.

Bauminister Jörg Vogelsänger (SPD) sieht kein großes Problem. Der Landesregierung seien weder kurz- noch langfristige Auswirkungen von Bioziden aus der Wärmedämmung für Boden, Wasser und Anwohner bekannt, hält er dagegen. Eine Überwachung der Gewässer finde mit zwölf Messungen pro Jahr statt. Überschreitungen der zulässigen Werte habe es nicht gegeben. Die einzige Ausnahme im Oderbruch sei »eindeutig mit der landwirtschaftlichen Anwendung als Herbizid im Ackerbau in Verbindung zu bringen«, erklärt der Minister. Sonstige Überschreitungen seien so selten, dass es für eine Ausweitung des bestehenden Messprogramms »aktuell keine Veranlassung« gebe.

Vogelsänger zufolge können Biozidprodukte gegen das Wachstum von Bakterien, Pilzen und Algen auf Baumaterialien wie Beton, Backsteine, Ziegel, Mörtel und Putz eingesetzt werden. Ein Verbot der Verwendung wäre »nicht durchsetzbar«, da für die jeweiligen Wärmedämmverbundsysteme eine Zulassung vorliege. Ein pauschaler Ausschluss anerkannter Baustoffe aus der Bezuschussung mit Fördermitteln wäre auch »nicht begründbar«. Sollten sich Anhaltspunkte für eine Umweltschädlichkeit ergeben, so müssten sich zunächst die zuständigen Fachbehörden darum kümmern. Die Erarbeitung einer Musterausschreibung für biozidfreie Wärmedämmung sei vor diesem Hintergrund nicht vorgesehen.

Allerdings räumte der Minister ein, dass der Einsatz von Bioziden in Fassadenfarben durchaus kritisch beäugt wird, da er zurzeit »in mehreren Fachgremien« behandelt werde. »Das Deutsche Institut für Bautechnik hat im Auftrag der Länder bereits 2011 eine Projektgruppe gegründet.« In deren Visier seien auch Fassadenbeschichtungen. »Die Ergebnisse sind abzuwarten.«

Zudem werde die Landesregierung noch 2013 eine Broschüre veröffentlichen, die Bauherren über Möglichkeiten des Einsatzes baubiologisch unbedenklicher Materialien unterrichtet.

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