Raumpioniere landen im Dorf

Auf Gut Stolzenhagen im Barnim wird ein internationales Tanzfestival veranstaltet

  • Rosi Blaschke
  • Lesedauer: 3 Min.

Der ländliche Raum auch in Brandenburg hat mit Strukturproblemen zu kämpfen: Arbeitsplätze fehlen, junge Leute ziehen weg. Doch mutige Menschen beleben das Dorf, wie beispielsweise in Stolzenhagen. Dort findet ab Juni wieder das internationale Tanzlandfestival statt.

Es geht um Menschen, die von der Stadt aufs Land ziehen, um dort gemeinsam mit Einheimischen neue Projekte, eine sozial und ökologisch andere Lebensweise zu fördern. Raumpioniere nennt man sie. Ein solches Projekt ist Gut Stolzenhagen im Barnim. Ulrich Kaiser, einer der Raumpioniere, berichtet, wie seine Familie 1999 von Berlin-Prenzlauer Berg gemeinsam mit einigen anderen ins Dorf zogen, um das ehemalige DDR-Volksgut mit seinem Dutzend Gebäuden, die zeitweise von der Treuhand verwaltet wurden, wieder aufzubauen und zu besiedeln.

Sie gründeten eine Genossenschaft. Diese wurde Eigentümerin der Gebäude und eines Stückchen Landes. Pachtverträge sichern zusätzliches Gartenland. Inzwischen sind 16 aktive und 120 fördernde Genossenschaftler mit von der Partie; Künstler, Handwerker, eine Physiotherapeutin, eine Heilpraktikerin. Ein Teil der Leute wohnt dort, andere kommen zum Wochenende aus der Stadt. Am schwersten sei es für die meisten, erzählt Kaiser, das Alte zu restaurieren und daneben Geld zu verdienen, um das zu finanzieren.

Kaiser ist wegen der Doppelbelastung stolz auf das Geschaffene. Schweineställe wurden als Wohnraum ausgebaut, Wege und ein Gemeinschaftsplatz angelegt. Einheimische Handwerker helfen. Dieser Tage haben die Genossenschaftler ihre erste Photovoltaikanlage in Betrieb genommen, die 10 000 Kilowattstunden Strom im Jahr liefert.

Die Leute im Dorf haben das Ungewohnte angenommen. Eine neue Art von Gemeinschaft bildet sich heraus. Auch das bedeutendste Vorhaben im Gut findet Anerkennung und Unterstützung. Es ist der Verein »Ponderosa«, dessen Geschäftsführer Kaiser ist. Ein Kuhstall wurde zum Tanzstudio ausgebaut, das sich zeitgenössischem Tanz, Performance, Improvisation widmet. Seit 2002 findet dort jährlich das international bedeutende Tanzlandfestival statt. National und international anerkannte Choreographen und Tanzpädagogen geben ihr Können in Workshops weiter. Gegenwärtig wird noch Yoga angeboten. Doch am 1. Juni beginnt das Festival. Bis Ende August werden etwa 500 Pädagogen und Tänzer - zwei Drittel aus dem Ausland - ihr Können zeigen und vervollkommnen. Mit Fördergeldern und Preisen wurde das schon belohnt. Stolzenhagen hat sich zu einem Ort der kulturellen Bildung und zeitgenössischen Kunst entwickelt.

Ponderosa e.V. und die Genossenschaft sind keine Insel der Seligen, sie engagieren sich in der regionalen Entwicklung, fördern Tourismus, Gastronomie und Kultur, schaffen Jobs. »Wir sind soziale Unternehmer, die keinen Profit machen«, betont Kaiser. »Wir schaffen gesellschaftlichen Mehrwert für die Region.« In diesem Jahr organisieren die Raumpioniere mit den Altansässigen übrigens das Dorffest am 13. Juli.

Ein anderes Beispiel der Raumpioniere ist die Bewegung Stadt im Wandel. Vor allem Kleinstädte auf dem Lande profitieren davon. Immer geht es darum, gemeinschaftlich für die Allgemeinheit zu wirken. In Trebbin und Thyrow, südlich von Berlin gelegen, widmet sich seit einem Jahr ein Projekt der Energiewende und dem Kulturwandel, erklärt Paula Valderrama. Ganz praktisch wird der heruntergekommene Trebbiner Bahnhof zu einer Begegnungsstätte mit Projekträumen umgestaltet. Ein Gemeinschaftsgarten ist entstanden, ein Energielehrpfad ist in Planung. Die Bürger Trebbins sind mit Ideen und Tatkraft dabei.

Gewiss sind diese neuen Lebensformen im Dorf nur eine Möglichkeit, den ländlichen Raum zu beleben. Im Vordergrund stehen die Schaffung und die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Doch die Raumpioniere bringen sich auch dabei ein.

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