Steter Tropfen lässt das Fass überlaufen

Das Schmelzen der Gletscher trägt so viel zum Meeresanstieg bei wie das der Eisschilde der Antarktis und Grönlands

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Gletscher in den Gebirgen der Erde machen zwar nur ein Prozent der Landeismassen der Erde aus. Doch wie eine neue Studie zeigt, ist ihr Schmelzwasser für ein Drittel des Meeresanstiegs verantwortlich.

Mancher wird sich noch auf die heftigen Vorwürfe gegen den letzten Bericht des UNO-Klimarates IPCC erinnern, man habe aufgrund wissenschaftlich unzulänglicher Quellen die Gletscherschmelze im Himalaya maßlos übertrieben. Im nächsten Bericht werden diese Schätzungen ganz sicher niedriger ausfallen. Denn eine Gruppe von Geowissenschaftlern aus den USA und Europa hat zwischen 2003 und 2009 noch einmal genauer nachgemessen. Traditionelle Messungen am Boden wurden mit Daten der NASA-Missionen ICESat (dieser Satellit misst mit Lasern genaue Bodenprofile) und GRACE (er erfasst durch Gravitationsmessungen Masseveränderungen) verglichen.

Bisherige Schätzungen basierten auf den Messdaten von etwa 300 der weltweit 160 000 Gletscher und rechneten diese auf die Gesamtheit hoch. Die Vergleiche der neuen Studie mit den Satellitendaten zeigten, dass die Messpunkte überwiegend an schnell schrumpfenden Gletschern gelegen hatten. An vielen schwer zugänglichen Stellen schmilzt das Eis offenbar langsamer. »Die traditionell angewandten Extrapolationen von lokalen Feldmessungen auf große Regionen und ganze Gebirgszüge überschätzen manchmal den Eisverlust«, erklärt der Geograf Frank Paul von der Universität Zürich die Erkenntnisse aus den Satellitenmessungen.

Die kürzlich im Fachjournal »Science« (Bd. 340, S. 852) publizierten Resultate erfassen nun nach Angaben des ebenfalls beteiligten Innsbrucker Glaziologen Georg Kaser rund 99 Prozent der 19 Gletschergebiete weltweit. Die Ergebnisse zeigen, dass fast alle vergletscherten Regionen in den Jahren 2003 bis 2009 an Masse verloren haben, am deutlichsten jene in der kanadischen Arktis, in Alaska, entlang der Küste Grönlands, in den südlichen Anden und im Himalaya. Im Gegensatz dazu haben die Gletscher am Rande der Antarktis in diesem Zeitraum wenig zum Anstieg des Meeresspiegels beigetragen. Insgesamt haben die Gletscher damit ca. 259 Milliarden Tonnen Masse jährlich verloren. Damit trugen sie zu etwa einem Drittel zum beobachteten Meeresspiegelanstieg bei. Je ein weiteres Drittel trugen das Schmelzwasser aus den großen Inland-Eisschilden von Grönland und der Antarktis sowie die thermische Ausdehnung des Meerwassers durch die Klimaerwärmung bei.

Sie neuen Schätzungen haben eine verlässlichere Datenbasis und fallen deutlich niedriger aus als frühere. Dennoch: Laut Co-Autor Tad Pfeffer von der University of Colorado reicht allein das Wasser der weltweiten Gletscher aus, um den Meeresspiegel um 60 Zentimeter anzuheben.

Der Upsala-Gletscher in den südargentinischen Anden schmilzt besonders schnell. Foto: dpa/Orestis Panagiotou

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