Zwei Gentlemen und ein Aussätziger

Vincenzo Nibali und Mark Cavendish dominierten den Giro d'Italia - Danilo Di Luca die Schlagzeilen

  • Tom Mustroph, Brescia
  • Lesedauer: 3 Min.
Vincenzo Nibali gewinnt den Giro d’Italia, Mark Cavendish ist »Mr. 100 Prozent« und Danilo Di Lucas positive A-Probe erinnert daran, dass die Dopingvergangenheit im Radsport immer noch Gegenwart ist.

Giuseppe Garibaldi schien zufrieden zu sein. Unter strahlendem Sonnenschein sah in Brescia eine Statue des Berufsrevolutionärs zu, wie sich der Sizilianer Vincenzo Nibali seinen bislang größten Karriereerfolg nicht mehr nehmen ließ. Nibali wurde selbst zu einer Art Nationalheld. Der Kapitän des Astana-Teams leistete sich bei diesem Giro d’Italia kaum Fehler, attackierte beständig, nahm sogar zwei Stürze in Kauf, ohne von seiner Angriffsfreude abzulassen. »Er ist wie ich früher. Er hätte den Vorsprung nur verteidigen müssen. Aber er hat angegriffen. Er hat einfach Courage«, lobte die belgische Radsportikone Eddy Merckx (fünf Girosiege) seinen Nachfolger.

Nibali schrieb sogar das Drehbuch dieser Rundfahrt ständig um: Ausgerechnet beim Zeitfahren in Saltara, das als Inthronisierung des Tour-de-France-Siegers Bradley Wiggins gedacht war, schlüpfte Nibali ins rosa Trikot. Und beim Bergzeitfahren am Gardasee, dessen Profil seinen schärfsten noch verbliebenen Konkurrenten Cadel Evans favorisiert hatte, nahm er dem Australier zweieinhalb Minuten ab.

Geholfen haben mochte ihm dabei auch das Aerodynamik-Training mit dem ehemaligen Formel-1-Piloten Jarno Trulli. Nibali ist kein Perfektionist wie etwa der Brite Wiggins. »Ich notiere mir nicht täglich, wie viele Trainingskilometer ich absolviert habe«, ließ er Lockerheit erkennen. Aber er verlasse sich auch nicht nur auf sein Talent, sondern arbeite an sekundären Dingen wie etwa der Haltung auf seinem Zeitfahrrad. Und weil Nibali nicht so abgemagert ist wie etwa Bradley Wiggins, hielt sein Körper auch den Wetterkapriolen mit Schnee und Eis besser stand. Nibali erwies sich in allen Disziplinen als König.

Darüber hinaus ist er ein Gentleman. Als solchen lobte ihn jedenfalls Mark Cavendish: »Ich bin Vincenzo dankbar, dass er auf der letzten Etappe nicht um die Punkte unterwegs mitgesprintet ist und mir damit die Chance gelassen hat, das rote Trikot zu erobern.« Der Brite holte sich unter den Augen Garibaldis seinen fünften Etappensieg und dank Nibalis Generosität auch das Punktetrikot. Die perfekte Ausbeute von fünf Siegen bei fünf Sprintfinals - beim Etappensieg von John Degenkolb war Cavendish durch einen Anstieg vor dem Ziel aussortiert worden - war Cavendish nach eigener Erinnerung nur bei der Tour de France 2009 gelungen. »Ich bin hier so sensationell von meiner Mannschaft unterstützt worden, dass mir gar nichts anderes übrig blieb, als zu gewinnen«, plauderte der Profi von Omega Pharma munter.

Dass Cavendish bei seinem fünften Streich zwei Italiener knapp bezwang, nahm Garibaldi unbewegten Gesichts zur Kenntnis. Eher die Kinnlade verrutscht sein dürfte ihm bei der Nachricht, dass ein weiterer Held des italienischen Radsports auch im Alter nicht klüger geworden ist. Danilo Di Luca, Gewinner des Giro 2007, wurde mit EPO im Urin vom Rennen ausgeschlossen. Pikant dabei ist, dass Di Luca neben Nibali einer der auffälligsten Fahrer im Peloton war. Der »Killer aus den Abruzzen« attackierte sogar häufiger als der »Hai von Messina«. Freilich ohne dessen Erfolg. Kurz vor seinem schmählichen Abgang bot er sich Nibali - der 2007 noch zu Di Lucas Helfern zählte - sogar als potenzieller Edelwasserträger an. Daraus wird nun nichts mehr. Bestätigt die B-Probe die A-Probe, ist Di Lucas Karriere am Ende.

Als kleines Rätsel bleibt nur, warum dem einstigen Sieger mit nachgewiesenem Doping nicht einmal ein einziger Etappensieg gegen die nach Selbstauskunft ungedopte Konkurrenz gelang. Vielleicht wirkt Doping heutzutage ja leistungsmindernd.

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