Das Versteckspiel ist vorbei

Paris will legal Waffen an Rebellen liefern

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die EU hat nach heftigem Streit ihr Waffenembargo gegen Syrien nicht verlängert - ab August erwägen Franzosen und Briten die militärische Aufrüstung der Aufständischen.

Die Aufregung ist groß, obwohl am Montagabend bei der EU-Außenministertagung in Brüssel keine Sensation, sondern lediglich das Erwartete eintrat. Das mit diesem Monat auslaufende Waffenembargo gegen die syrischen Konfliktparteien, also auch die gegen die Regierungstruppen agierenden Milizen, läuft aus.

Momentan sollen sich zwischen 40 000 und 60 000 illegale Kämpfer, etwa zwei Drittel davon auf seiten der Opposition, in Syrien aufhalten. Die waren auch bisher schon mit kriegstauglichen Waffen ausgerüstet, die sie nicht von der syrischen Armee erbeutet und auch nicht von zu Hause mitgebracht hatten. Offenbar ist das Kriegsgerät nahe der syrisch-türkischen Grenze vom Himmel gefallen und dort in die Hände der Rebellen gelangt.

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EU-Sanktionen 
gegen Assad

Die Europäische Union hat im Mai 2011 eine Reihe von Sanktionen gegen die Regierung von Präsidenten Baschar al-Assad verhängt, die weiterhin in Kraft sind. An erster Stelle steht das Verbot von Waffenlieferungen nach Syrien. Dies betraf bisher Regierungstruppen und Rebellen gleichermaßen. Dazu kommen wirtschaftliche Sanktionen gegen den Staat, vor allem ein Boykott syrischen Öls, das wichtigste Exportgut des Landes. Des weiteren wurden Einreiseverbote gegen 13 Personen verhängt, die nach Ansicht der EU führend an der Verfolgung von Oppositionellen in Syrien beteiligt sind. Darunter sind der Bruder des Präsidenten Maher al-Assad, Geheimdienstchef Ali Mamlouk und Innenminister Mohammad Ibrahim al-Chaar. Präsident Assad steht nicht auf der Liste. Zugleich wurden die in der EU befindlichen Konten und Vermögen der 13 eingefroren. Die EU-Regierungen haben in den vergangenen Wochen bereits die Lieferung von »nicht-tödlichem Militärmaterial« –  beispielsweise Helme oder Schutzwesten – an die Rebellen erlaubt.

 

Laurent Fabius, der französische Außenminister, hatte in den vergangenen Wochen mehrfach durchblicken lassen, dass er zu diesem Versteckspiel keine Lust mehr hat. Der Sozialist Fabius, der nahtlos an die von spätkolonialen Allüren geprägte Mittelmeerpolitik seines konservativen Vorgängers Alain Juppé anknüpft, orientiert auf ein militärisches Eingreifen der EU bzw. NATO wie im Falle Libyens, um endlich den gewünschten Regime-Wechsel herbeizuführen. Allerdings bedarf es dazu einer bewaffneten Opposition, die das praktisch erledigt. Nur befindet sich diese gerade militärisch auf dem Rückzug.

Frankreich konnte sich am Montag in Brüssel - auch das wie vor zwei Jahren in Bezug auf Libyen - auf Großbritannien als Bundesgenossen stützen. Mehr aber wurden es gestern nicht. So ist Paris zwar recht isoliert, die EU dennoch und diesmal wohl nachhaltig gespalten.

Das Gros der Mitgliedsländer wäre wohl bereit gewesen, der deutschen, von Außenminister Guido Westerwelle seit langem vertretenen Linie zu folgen: Ja zu politischer Ächtung und ökonomischen Sanktionen gegenüber Damaskus, aber keine aktive Unterstützung einer Kriegspartei und schon gar kein eigenes Eingreifen; dies ist der von US-Präsident Barack Obama praktizierten Syrien-Politik sehr ähnlich.

Selten werden sogenannte Leichtgewichte in der EU zu Protagonisten einer bestimmten Richtung, diesmal aber war das ganz unverkennbar der Fall. Der österreichische Außenminister Michael Spindelegger (Österreichische Volkspartei), also ein Konservativer, wurde pikanterweise zum schärfsten Widersacher der von ihm als abenteuerlich und kriegsverlängernd bezeichneten Politik seines sozialistischen Kollegen aus Paris. Sollten einzelne Länder tatsächlich Rüstungsgüter liefern, erwäge sein Land, aus dem UN-Einsatz auf den Golan-Höhen auszusteigen, sagte Spindelegger laut AFP. Auch der Wiener Bundeskanzler Werner Faymann zeigte sich am Dienstag besorgt und beunruhigt, dass Österreichs Position zum Waffenembargo nicht durchsetzbar war. »Mehr Waffen lösen nichts, sondern verschärfen die Situation«, sagte Faymann.

Aus Deutschland blieben klare Stellungnahmen Mangelware. Westerwelle hatte zwar die österreichische Position unterstützt, sprach aber im Gegensatz zu Spindelegger nicht von Enttäuschung, sondern laut AFP lieber von einem »klaren Zeichen und Signal an Assad«. Grüne und SPD glänzten mit Kommentaren von perfekter Doppelbödigkeit. Die Grüne Bundessprecherin Claudia Roth nannte Brüssel einen »weiteren Tiefpunkt der Bemühungen um eine gemeinsame europäische Außenpolitik«. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, sah sogar ein EU-Fiasko. Ob sie der französischen oder der österreichischen Linie zuneigen, war beiden Politikern nicht zu entlocken.

Die LINKE hatte dieses Problem nicht. Ihr außenpolitischer Sprecher Wolfgang Gehrcke kommentierte, die EU habe sich mit dem Ergebnis des Außenministertreffens »für Waffengewalt statt für Waffenstillstand« entschieden.

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