Willkommen am Geisterflughafen

BER-Areal öffnete sich am Wochenende für Besucher

  • Marlene Göring
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie zufällig verstreut liegen die wenigen Gebäude des Flughafens Schönefeld in der Mittagssonne. Gemächlich flanieren Passanten ohne Gepäck neben Reisenden mit Rollkoffern vom S-Bahnhof Richtung Abfertigungshallen. Vom Ein-Raum-Terminal C wird an diesem Tag aber nicht geflogen, dort feiert man den »Tag der Luftfahrt«. Eine Handvoll Rentner und Familien mit Kindern sitzen auf Bierbänken und essen Bratwurst. Auf einer kleinen Bühne ruft ein Moderator »Zwölf! Dreiunddreißig! Achtzehn!«, die Stimme sich überschlagend vor Begeisterung. So lange, bis ihm aus seinem Publikum ein »Bingo« entgegenmurmelt.

Etwas abseits blickt eine Gruppe von etwa 30 Menschen suchend umher. Sie warten auf den Bus, der sie vom beschaulichen Schönefeld zum Metropolflughafen Berlin-Brandenburg bringen soll. Eine Stunde lang dürfen sie ihn fahrend besichtigen. Dazu gibt es Popcorn von einer Fluggesellschaft und die Ansagen des sachkundigen Führers Tobias, der seinen Nachnamen nicht nennen will, dafür aber seine Beschäftigungsform offenbart: Tobias ist »freiberuflicher Mitarbeiter beim BER-Marketing«. Wann der Flughafen aufmacht, kann auch er nicht sagen, darauf weist er gleich zu Anfang hin. »Ich kann nicht glauben, dass die das wirklich machen«, sagt ein junger Mann, während er den Hals am Busfenster reckt. »Nach dem ganzen Ärger zeigen die das Millionengrab noch öffentlich.« Mittlerweile sogar viermal jede Woche, zum »Tag der Luftfahrt« zum halben Preis.

Der Bus nimmt die Autobahnabfahrt mit dem Flughafenzeichen, obwohl das durchgestrichen ist, und biegt in die Airport-City ein. Wo sich früher die umgesiedelten Ortschaften Kienberg und Diepensee befanden, sprießen heute junge Bäume Reihe an Reihe. Die erst vor Kurzem angelegten Parkplätze überwuchert das erste Gras. Die sind aber sowieso nur auf Zeit angelegt: Sie schaffen Freifläche für Investoren, die sich in Zukunft noch hier ansiedeln sollen, erklärt Tobias. Insgesamt 10 000 Stellplätze sollen bestehen bleiben, größtenteils in Parkhäusern. Nur 50 Prozent der Fluggäste, so rechne man, werden hier später per Auto anreisen. Der Rest komme über den neuen Bahnhof. Wer den schon geöffneten Infoturm besuchen will, muss aber noch den Bus von Schönefeld nehmen.

Vorbei geht es an Kerosinsilos, Feuerwachen, Bürogebäuden und einer Tankstelle - alles menschenleer. Nur mit einem Sicherheitsausweis kommt man hierhin. Daneben immer mal Wohncontainer, zwischen denen der Wind leere Verpackungen und anderen Müll hin und hertreibt. Von den bis zu 2000 Bauarbeitern seien nur noch wenige hundert zeitweise auf dem Gelände, lässt der Tourleiter übers Mikrofon wissen.

Dann zeigt sich das Herz des Flughafens den Besuchern: das Terminal, dazu ein Haupt- und zwei 350 Meter lange Seitenpiere. An einer Seite stapeln sich noch Betonsäcke und OSB-Platten, aber nur ein einsamer Arbeiter in orangefarbener Weste spiegelt sich in der Glasfront. Durch die Transparenz der Gebäude »kann man sich hier gar nicht verlaufen«, beruhigt Tobias zukünftige Flugreisende. In der Haupthalle schimmert eine riesige rote Krake durch die Scheiben. »Das ist ein Kunstwerk«, weiß der Marketingmitarbeiter. Es solle dazu dienen, den Bauten in Anthrazit die Kälte zu nehmen.

Auf dem Rollfeld dürfen die Gäste »entsteigen, aber nicht zu weit«. Glas, Beton, Säulen und rechte Winkel, soweit man sehen kann. Die Architektur erinnert an die Ministergärten und das Kanzleramt. Auf jeder der 25 Fluggastbrücken prangt das Logo einer Autovermietung, die hier Werbung für niemanden macht. Die Anzeigen der digitalen Einweisersäulen, die die Parkeinweiser, sogenannte Marshalls, ersetzen sollen, sind dunkel.

Der neue Tower ist der einzige Ort, wo heute schon Menschen für den Flugbetrieb arbeiten. Sechs Angestellte kontrollieren von hier aus die südliche Landebahn des Schönefelder Flughafens, die einmal die nördliche des BER sein wird - ziemlich einsam auf einem Gelände, dass 2000 Fußballfelder misst. Dafür haben sie das towereigene Fitnesscenter für sich allein.

»Das ist schon komisch - alles fertig, Häuser, Straßen, Schienen. Aber nichts in Betrieb«, sagt ein älterer Herr kopfschüttelnd, der extra aus Halle angereist ist, um den Flughafen zu sehen. »Seit letztem Jahr hat sich hier nichts verändert«, erzählt ihm eine Frau, die in der Umgebung lebt und schon oft hier war.

Währenddessen spricht Tobias munter weiter. Wie die alte Generalsvilla an der Ausfallstraße abgerissen werden wird. Sie macht Platz für das Regierungsterminal. Sogar ein Hangar für den Airbus 380 soll dort entstehen - wenn Tegel und Schönefeld eines Tages geschlossen sind. Denn die eigentliche Funktion des BER sei ja die, »ein Relikt der Berliner Teilung aufzuheben«.

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