Istanbul, Frankfurt, Athen

Was die türkischen Proteste, den Alter Summit und Blockupy verbindet: Solidarität

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 2 Min.
In der Türkei geht der Massenaufruhr gegen die Regierung Erdogan weiter, in Athen treffen sich Linke aus ganz Europa zu einem Alternativengipfel. Und in Frankfurt am Main versammeln sich erneut Abertausende auf der Straße - diesmal, um gegen den Polizei-Angriff auf die Blockupy-Demonstration zu protestieren.

Man sollte vorsichtig sein mit dem Ziehen von geraden Linien - und doch ist die Verbindung zwischen den Massenprotesten gegen die türkische Regierung, die Athener Suche nach Alternativen zum kapitalistischen Krisenregime und die für viele überraschend große Demonstration gegen Polizeigewalt in Frankfurt am Main greifbar: eine lange nicht mehr so gekannte Form der Solidarität.

Dass sich der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan inzwischen nicht nur mit stadtpolitischen Protesten konfrontiert sieht, sondern mit einer Massenbewegung, die ihm und der islamisch-konservativen AKP die Macht bestreitet, kam am Wochenende symbolisch im gemeinsamen Aufzug der drei rivalisierenden Istanbuler Fußballclubs zum Ausdruck. Auch schon in den vergangenen Tagen waren die Berichte aus der Türkei angefüllt von Beispielen unmittelbarer Solidarität: Ladenbesitzer verkauften neben Getränken auch Gasmasken zum Schutz vor der Polizei; Menschen öffneten ihre Wohnungen, damit Verletzte behandelt werden konnten. Und so schnell sich die Demonstrationen auch in andere Städte ausbreiteten, so hartnäckig bleiben sie: Für Sonntagnachmittag war erneut zu einem großen Protest auf dem Taksim-Platz in Istanbul aufgerufen: »Wir machen weiter, bis unsere Forderungen erfüllt sind.«

In Deutschland hat es in den vergangenen Tagen sehr viele Aktionen der Solidarität mit dem »türkischen Frühling« gegeben. Diese Kundgebungen überragten das übliche Protestlevel auch, weil sie in einer Woche stattfanden, in der die Erfahrung des Polizeieinsatzes gegen die Blockupy-Demo am letzten Wochenende noch lebendig war. Dass am Samstag viele tausend Menschen abermals in Frankfurt auf die Straße gingen, war nicht nur wegen der vergleichsweise großen Beteiligung ein Signal. Sondern auch, weil sich dort Menschen solidarisch zeigten, die nicht mit jedem Ziel des Blockupy-Bündnisses übereinstimmen - es aber für verteidigenswert halten, dass auch radikale Alternativen zur Krisenpolitik und zum Sparregime der Regierungen in der Öffentlichkeit vorgebracht werden dürfen.

Richtig ist freilich auch: Es bleibt eine Herausforderung, Widerstand über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. In Athen kamen am Wochenende weniger Menschen als erwartet zum Alter Summit, zum Gipfel der Alternativen. Die Botschaft, welche europäische Linke, Gewerkschaften und soziale Bewegungen von dort aussandten, wird aber auch in Istanbul und Frankfurt verstanden: Alternativen werden nur greifbar, wenn eine neue Solidarität die Menschen verbindet.

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