Wände statt Mittel streichen

Grünen-Politikerinnen machen auf Geldnot der stark nachgefragten Frauenhäuser aufmerksam

  • Lesedauer: 3 Min.

An den Wänden hängen Kinderzeichnungen, die Sonne fällt durch die Fenster, es ist ruhig im Autonomen Frauenhaus Hestia. Richtig was los ist nur in einem Zimmer im oberen Stock: Hier sind die drei Grünen-Abgeordneten Anja Kofbinger, Lisa Paus und Eva-Marie Plonske gerade dabei, die Wände zu streichen. Gut die Hälfte haben sie schon geschafft, jetzt brauchen sie erst mal eine Trinkpause.

»Mit der Aktion wollen wir auf die katastrophale Finanzausstattung der Frauenhäuser aufmerksam machen«, sagt die Berliner Abgeordnete Kofbinger. Das Haus müsse dringend renoviert werden, die drei Politikerinnen wollen nun zumindest ein Zimmer verschönern. Aus den anderen fünf Berliner Frauenhäusern hätten sie auch Anfragen bekommen: »Da soll ich ein Bett bauen, das kann ich aber gar nicht«, sagt Kofbinger. Zum ebenfalls erwünschten Gärtnern wolle sie Renate Künast mitbringen, die habe nämlich einen grünen Daumen.

Die Mitarbeiter des Frauenhauses freuen sich über die öffentlichkeitswirksame Aktion, auch wenn für sie klar ist, dass die Hilfe nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann. Denn die Liste der Probleme im Haus, das mit 60 Plätzen jährlich rund 500 Frauen und deren Kinder aufnimmt, ist lang: Weder für das immer wichtiger werdende Dolmetschen noch für Begleitung zu Ämtern oder die erforderliche Rufbereitschaft nachts und am Wochenende sind genug Mitarbeiterinnen da. »Wir müssen auch außerhalb der Kernarbeitszeiten erreichbar sein, um Frauen aufnehmen zu können. Das machen wir dann unbezahlt«, sagt eine Mitarbeiterin. Auch für die Arbeit mit psychisch Erkrankten würden die Ressourcen fehlten, außerdem gibt es keine Mittel, um das Haus barrierefrei umzubauen.

Seit der Gründung des Hauses im Jahr 1993 sei die Finanzierung von Seiten der zuständige Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen immer weiter reduziert worden, auch die Anzahl der Plätze wurde gesenkt. Jetzt stehen die Frauenhäuser vor einem großen Problem: Die Häuser sind voll. Allein im Hestia-Frauenhaus mussten im letzten Jahr 212 Frauen mit 174 Kindern abgewiesen werden. »Natürlich versuchen wir, die Betroffenen in andere Häuser zu vermitteln«, erzählt eine Mitarbeiterin. Immer öfter seien aber alle Frauenhäuser in Berlin belegt, auch eine Vermittlung nach Brandenburg kann nicht immer helfen. Es komme also durchaus vor, dass Frauen, die sich hilfesuchend an die Häuser wenden, nirgendwo aufgenommen werden können.

Jede vierte Frau ist im Laufe ihres Lebens Gewalt durch einen Beziehungspartner ausgesetzt. Seit 1986 gibt es autonome Frauenhäuser in Deutschland, mittlerweile sind es 350, die für die Betroffenen Schutz und Hilfe anbieten. Ihre Adressen sind aus Sicherheitsgründen geheim. Gerade in Berlin ist der Bedarf hoch: »Für viele Frauen aus ländlichen Regionen bietet die anonyme Großstadt einen besseren Schutz«, so die Mitarbeiterin. Dazu kommt das Problem, dass viele Frauen länger als gewollt in den Häusern bleiben müssen, weil sie auf dem angespannten Wohnungsmarkt Schwierigkeiten haben, eine neue Bleibe zu finden.

Die Grünen streichen jetzt weiter, bis zur Mittagshitze wollen sie fertig sein. Weitere Aktionstage sind aber bereits geplant, auch im Rahmen einer bundesweiten Kampagne der Frauenhäuser für eine bessere Finanzierung.

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