»Das ist kein Urlaubscamp«

Runder Tisch zeigte Unterstützung für die Flüchtlinge - trotz einzelner Kritikpunkte

  • Malene Gürgen
  • Lesedauer: 4 Min.

»Unser Camp ist lebendig, und unser Camp wird bleiben.« So formuliert Patras Bwansi, einer der Aktivisten des Flüchtlingscamps am Oranienplatz, die zentrale Botschaft der Pressekonferenz, zu der die Campbewohner gestern gemeinsam mit dem Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) geladen hatten. »Wir haben alle bisherigen Angriffe auf das Camp und unsere Bewegung überlebt und werden sie auch in Zukunft überleben«, sagt der aus Uganda geflohene Bwansi weiter.

Damit meint er nicht nur die Messerattacke vom letzten Montag, bei der ein Flüchtling von einem das Camp durchquerenden Mann schwer verletzt worden war. Bwansi bezieht sich auch auf die Polizei, die nach dem Angriff in das Camp gestürmt war und neun Aktivisten vorübergehend festgenommen hatte, sowie auf Medienberichte, die einen angeblichen Konflikt zwischen dem Camp und Anwohnern als Ursache für den Angriff darstellten. »Manche Leute wollte die Chance nutzen, die Anwohner und uns gegeneinander aufzubringen«, so Bwansi, »das wird ihnen aber nicht gelingen.«

Am Montagabend waren Vertreter aus dem Camp sowie der Nachbarschaft zu einem Runden Tisch zusammengekommen, um über mögliche Probleme zu sprechen. Schulz, der sich ebenfalls an dem Gespräch beteiligte, sprach von einer »konstruktiven Atmosphäre« und »gegenseitigem Respekt«. Die etwa 15 anwesenden Nachbarn hätten ihre grundsätzliche Solidarität mit den Flüchtlingen ausgedrückt. Zwar habe es Kritik an einzelnen praktischen Aspekten gegeben. »Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir hier eine einvernehmliche Lösung finden«, so Schulz. Der Toilettenwagen, über den sich einige beschwert hätten, werde nun beispielsweise umgestellt, sodass er keine Anwohner behindere.

Schulz bekräftigt auch seine eigene Unterstützung für den Protest: »Das ist hier kein Urlaubs-camp, sondern ein politischer Ort«, sagt er. Die Bewohner seien durch »unsägliche Bedingungen« in ihrer Heimat nach Deutschland getrieben worden und fänden sich hier mit einem menschenunwürdigen Asylrecht konfrontiert. »Sie haben sich Kreuzberg ausgesucht, weil sie hier auf die Unterstützung der Nachbarschaft zählen können«, so Schulz weiter. Diese habe es von Anfang an gegeben und werde es auch weiter geben.

Unterstützung gibt es auch von der Mieterinitiative Kotti&Co: Mit »billigen rassistischen Strategien« werde versucht, den Bezirk zu spalten, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Solidaritätserklärung. Davon werde man sich aber nicht beeinflussen lassen und unterstütze stattdessen den Flüchtlingsprotest nun auch mit einem Kotti&Co-Zelt auf dem Oranienplatz.

Heftige Kritik üben die Aktivisten derweil an der Berichterstattung über den Vorfall. »Viele Medien versuchen, uns zu kriminalisieren«, sagt der Aktivist Turgay Ulu. »Wir sind aber unschuldig, wir haben kein Messer gezogen und waren auch nicht gewalttätig wie die Polizei.«

»Natürlich gibt es Menschen, die sich durch das Camp gestört fühlen«, sagt er weiter. »Aber dass Flüchtlinge unter schlechten Bedingungen leben, ist normal in Deutschland. Nur passiert das sonst nicht für alle sichtbar in der Stadt, sondern irgendwo in den isolierten Flüchtlingslagern.« Diese Isolation wolle man bewusst durchbrechen und bekomme dafür auch viel Unterstützung aus der Nachbarschaft.

Während Ulu ruhig spricht, ist einer seiner Mitstreiter sichtbar aufgewühlt: »Wenn ihr Fehlinformationen streut, gefährdet ihr das Leben von Menschen«, ruft er in Richtung der anwesenden Journalisten. Die teilweise schlechten Umstände auf dem Camp, durch die sich auch Nachbarn gestört fühlen könnten, hätten sich die Flüchtlinge doch nicht ausgesucht. »Wenn ihr keine Ahnung von unserer Realität habt, verbreitet wenigstens keine Lügen«, sagt er.

Die Bewohner weisen außerdem auf die vielen Aktivitäten im Camp hin. So läuft dort noch bis zum Samstag ein Kunstfestival; heute brechen Aktivisten zu einer Vernetzungstour in europäische Nachbarländer auf. Ihre Botschaft ist klar: »Wir sind nicht gegen unsere Nachbarn und nicht gegen unsere Mitmenschen, wir sind gegen das System«, sagt Bwansi.

Spenden für das Camp können auf folgendes Konto überwiesen werden: Förderverein Karawane e.V., Kontonr: 40 30 780 800, BLZ: 430 609 67, GLS Gemeinschaftsbank. Verwendungszweck: Protestmarsch Berlin

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