Von Zehlendorf bis München

Wieder demonstrierten Hunderte gegen hohe Mieten, Verdrängung und die Senatspolitik

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.

»13 Jahre Wohnen: Herzkrank, depressiv, bald obdachlos?« Mit diesem Plakat bewaffnet wartet eine elegant gekleidete Dame am Samstag wie rund 400 weitere Menschen vor der Protesthütte am Kottbusser Tor auf den Beginn der Demonstration gegen hohe Mieten und Verdrängung. Es ist die 19. Lärmdemo, seit vor über einem Jahr das Gecekondu - der türkische Begriff für ein über Nacht erstelltes Gebäude - als sichtbare Anlaufstelle des Protests gegen die rasanten Mietsteigerungen im Kiez errichtet wurde.

»Es ist einerseits die persönliche Betroffenheit von Mietsteigerungen, andererseits ein politisches Anliegen, eine Stadt für alle zu haben«, umschreibt Hannes von »Avanti - Projekt undogmatische Linke« die Beweggründe der Anwesenden. Er freut sich, dass in der vergangenen Woche unter anderem auch in München und Düsseldorf Aktionen stattgefunden haben. Städte, in denen die Mieten seit Jahrzehnten absurd hoch sind. Die heutige Demo hat einen bundesweiten Anspruch. In vielen deutschen Städten hat das Bündnis »Keine Profite mit der Miete!« in der vergangenen Woche zu Kiezspaziergängen, Filmvorführungen, Informationsabenden und vielem mehr eingeladen, um Aufmerksamkeit für die sich verschärfende Mietproblematik zu schaffen.

Auch in Berlin ist das Problem der Verdrängung längst nicht mehr auf das Zentrum beschränkt. »Mietspiegel und Betongoldjäger verdrängen auch hier Rentner und Normalverdiener«, steht auf dem Plakat einer Zehlendorfer Aktivistin. »Es sind nicht nur die Arbeitslosen, die von den Mietsteigerungen betroffen sind«, sagt eine Demonstrantin vom Kiezbündnis »Kotti & Co.« Dies treffe genauso auf Rentner und Geringverdiener zu - insgesamt eine halbe Million Menschen in Berlin. »Wir wollen auch als Rentner würdevoll weiterleben, und nun sieht die Stadt uns als Bettler«, sagt sie.

Die Demonstranten sind ein bunter Querschnitt der Bevölkerung: Eltern mit kleinen Kindern, Rollstuhlfahrer, Frauen mit Kopftüchern und knöchellangen Mänteln - hier wird die Kreuzberger Mischung sichtbar. Und hörbar: Trillerpfeifen, Vuvuzelas, Topfdeckel, Klangstäbe oder auch Töpfe mit Kochlöffeln - alles, was Lärm macht, kommt zum Einsatz.

Der erste Stopp ist beim Protestcamp der Asylbewerber am Oranienplatz. »Der Protest der Refugees ist unser Protest, ist unser aller Anliegen«, sagt eine Rednerin, auch mit Blick auf das zu dem Zeitpunkt noch nicht geräumte Camp der hungerstreikenden Asylbewerber in München.

Eine weitere Kundgebung gibt es vor dem gemeinsamen Sitz von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und Arbeits- und Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD). Ihnen wirft Detlev K. von »Kotti & Co.« Nichtstun vor. Die Schwachen, so fordert er, müssten sich gegen die »ehrenwerte Parallelgesellschaft« der Politik zusammentun.

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