Den Schwamm weiter gequetscht

Arbeitsagentur Dessau zieht Umbau-Bilanz / DGB: Missliche Zersplitterung

  • Hendrik Lasch, Dessau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesagentur für Arbeit wird umgebaut und erntet dabei nicht nur Kundenlob, sondern schafft es sogar, mehr Menschen in den Arbeitsmarkt Ost zu vermitteln. Trotzdem gibt es für die Reform nicht nur Beifall.
Hannelore Witt bekommt in letzter Zeit öfter Besuch. Bei der Chefin eines 20 Mitarbeiter zählenden Maschinenbaubetriebes in Dessau spricht eine Mitarbeiterin der örtlichen Arbeitsagentur vor. »Sie kennt unsere Firma und weiß, welche Leute wir brauchen«, sagt Witt. Wenn die Unternehmerin einen Dreher sucht, reicht daher ein Anruf. Umgehend wird ein passender Arbeitsloser gesucht sowie eine maßgeschneiderte Qualifizierung besprochen. Die Erkenntnis, dass ein kurzer Draht zwischen Arbeitsagentur und Firmen der maßgeschneiderten Vermittlung förderlich ist, gehört zu einer Reform, bei der die Agentur für Arbeit zu einem modernen Dienstleister umgebaut werden soll. Die Neuausrichtung, die 2002 nach Berichten über katastrophale Vermittlungsbilanzen beschlossen und im Hartz-III-Gesetz ausformuliert wurde, sei »die größte Reform einer deutschen Behörde seit 1945«, sagt Max-Volker Dähne, Geschäftsführer der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt und Thüringen. Nicht nur die Arbeitgeber, die in Dessau bei fast jeder zweiten Bewerbersuche die BA einschalten, bekommen die Ergebnisse des Umbaus inzwischen zu spüren. Der habe sich wegen der Umsetzung von Hartz IV zwar um ein Jahr verzögert, sei aber nun in allen 15 Regionalstellen in Sachsen-Anhalt und Thüringen abgeschlossen, wie Dähne berichtet. Auch bei den Arbeitslosen sei »eine deutlich höhere Kundenzufriedenheit« zu verzeichnen. Manche der Änderungen muten selbstverständlich an. So werden für Beratungsgespräche telefonisch Termine vergeben. »Überfüllte Flure sind Vergangenheit«, heißt es deshalb in einem Werbefilm. Darüber hinaus wurden auch viele andere Abläufe in den Agenturen freundlicher und effizienter gestaltet, so Petra Bratzke, Leiterin der Dessauer Agentur. Viele Auskünfte würden binnen 30 Sekunden am Empfang gegeben; andere Probleme könnten weitgehend telefonisch in Servicezentren geklärt werden. Folge ist, dass persönliche Beratungsgespräche nun 45 statt 10 Minuten dauern könnten. Die straffere Organisation in den Agenturen zeitigt verblüffende Folgen. Obwohl der Arbeitsmarkt in Dessau und Umgebung zu den schwierigsten in Ostdeutschland gehört, stieg die Integrationsquote im Jahr 2005 um acht Prozent. Dies sei kein Einmaleffekt, betont Bratzke. Zwar könne man »den Schwamm nicht endlos quetschen«. 2006 solle der Wert aber nochmals um fünf Prozent steigen. Zugleich seien die Kosten je Kunde durch gezielten Einsatz der Maßnahmen um 300 Euro gesenkt worden. In der ehemaligen Behörde, die neuerdings eine Kosten-Leistungs-Rechnung betreibt, wird dabei selbst Personal reduziert. Die Zahl der Mitarbeiter in Dessau sank von 465 auf knapp 300, wobei im Vermittlungsbereich nicht gestrichen worden sei. Von beachtlichen Erfolgen spricht angesichts solcher Zahlen auch DGB-Landesvorsitzender Udo Gebhardt. Gleichwohl warnt der alternierende Vorstandschef des Verwaltungsausschusses der Arbeitsagentur nicht nur vor allzu starker Orientierung auf Effizienz: »Wir sind hier nicht bei VW, wo es um Taktzeiten geht.« Gebhardt kritisiert auch, dass die Reformen am Arbeitsmarkt ungeachtet punktueller Verbesserungen auch gravierende Nachteile gebracht haben. Zu den »Knackpunkten« zählt er die Zersplitterung der Arbeitsvermittlung, für die es allein auf staatlicher Seite neben der BA auch Argen und Optionskommunen sowie diverse Mischformen gebe. Daneben nennt er weitere »Webfehler«, etwa die regelmäßig wiederkehrenden »Antragswellen«, die viele Kräfte bänden. Der DGB fordert daher, kaum dass die Reform dem Ende zugeht, von der Politik inzwischen eine »Reformrevision«.
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