Jugendarbeit jetzt privat

Marzahn-Hellersdorf will zehn kommunale Jugendclubs in freie Trägerschaft übergeben

  • Malene Gürgen
  • Lesedauer: 3 Min.

Es trifft sie alle: Zehn von zehn kommunalen Jugendfreizeiteinrichtungen im Bezirk Marzahn-Hellersdorf sollen bereits zum 1. Januar 2014 an freie Träger übergeben werden. So sieht es eine Beschlussvorlage vor, die von der zuständigen Stadträtin für Jugend, Juliane Witt (LINKE), in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) eingebracht wurde. Zwar wurde der Antrag noch nicht beschlossen, sondern zunächst in den zuständigen Ausschuss zurückgespielt. Nach »nd«-Informationen ist es aber sicher, dass die Übertragung in den nächsten Wochen beschlossen wird. Im September soll das Ausschreibungsverfahren beginnen, im Dezember die Träger feststehen.

Hintergrund sind die Vorgaben des Senats zur Personaleinsparung: Der Bezirk muss 174 Stellen abbauen. »Bei den Ämtern wurde schon so viel gekürzt, da konnten wir nichts mehr machen«, sagt Bezirksbürgermeister Stefan Komoß (SPD). Deshalb habe man sich für die Jugendclubs entschieden, »hier haben wir mit der Übertragung an freie Träger bereits gute Erfahrungen gemacht«, so Komoß weiter. Mit dem Jugendclub »Betonia« etwa, der sich bereits seit mehreren Jahren in freier Trägerschaft befindet, laufe die Zusammenarbeit sehr gut.

Streit um Jugendclubs

Auch in anderen Bezirken haben Jugendclubs unter Personalabbau zu leiden. Die Übertragung an freie Träger ist dabei nicht immer problemlos, wie das Beispiel des Jugendclubs »Linse« in Lichtenberg zeigt: Dort brodelt seit längerem ein Streit zwischen dem privaten Träger und den jugendlichen Nutzern, der im vergangenen Herbst in der Entlassung des langjährigen Clubleiters durch den Träger gipfelte. Die Jugendlichen werfen dem Träger vor, das Konzept der »Linse« radikal ändern zu wollen und fordern eine Rückübertragung des Jugendclubs. Ebenfalls in Lichtenberg gab es im Herbst außerdem große Proteste gegen die Übergabe von vier weiteren Jugendclubs an freie Träger. Im März gab der Bezirk bekannt, die Einrichtungen nun doch weiterhin kommunal betreiben zu wollen.

Neben inhaltlichen Auseinandersetzungen werden die freien Träger in der Jugendarbeit häufig für ihre Personalpolitik kritisiert: Die Bezahlung der Mitarbeiter ist oft schlechter als in den kommunalen Einrichtungen, meist gibt es nur befristete Verträge. mgu

 

»Wir haben diese Entscheidung nicht freiwillig getroffen, sondern wurden von den Senatsvorgaben dazu gezwungen«, sagt Stadträtin Witt. Seit Beginn des Jahres versuche man nun bereits, die betroffenen 46 Mitarbeiter auf andere Stellen im öffentlichen Dienst zu vermitteln. »Die Betroffenen gehen mit der Situation sehr verantwortungsvoll um, auch wenn das für sie natürlich eine bittere Entscheidung ist«, so Witt. Jahrelang haben die Betroffenen teilweise in »ihren« Jugendclubs gearbeitet, nun wartet auf sie möglicherweise eine Schreibtischstelle in der Verwaltung. Viel ändern wird sich außerdem auch für die Kinder und Jugendlichen, die so auf einen Schlag all ihre Ansprechpartner verlieren.

Komoß und Witt betonen einmütig, dass es bei der Entscheidung nicht um finanzielle Einsparungen gehe: »Jeder Cent, der bisher geflossen ist, soll auch weiter fließen«, so Witt. »Die bisher benötigten Mittel sollen auch weiter zur Verfügung stehen«, heißt es dementsprechend auch in der Beschlussvorlage.

Wie üblich wird der Bezirk die Jugendarbeit über Leistungsvereinbarungen mit den Trägern auch weiter finanzieren. »Über die Leistungsvereinbarungen wollen wir auch dafür sorgen, dass die Qualität so hoch bleibt, wie sie ist«, so Komoß. Ob Stellen abgebaut oder Angebote reduziert werden, unterliegt dann allerdings nicht mehr der Kontrolle des Bezirks.

Die betroffenen Jugendclubs selbst, darunter das »Fair«, der Mädchenclub »Hella«, die »Villa Pelikan« oder die »Klinke«, wollen sich zu der Entscheidung nicht äußern. »Das dürfen wir nicht, und wir haben ja auch Angst, dass wir am Ende noch schneller zugemacht werden«, sagte ein Mitarbeiter dem »nd«. Schon jetzt müssen die Einrichtungen mit deutlich weniger Personal auskommen, da sich viele bereits umorientiert und ihren bisherigen Arbeitsplatz verlassen haben, sagt Witt. Sie rechnet damit, dass spätestens im Herbst einige der Jugendclubs vorübergehend schließen müssen, weil ihnen das Personal fehlt.

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