Der Kreis sucht seinen Anfang

Malender Dichter, dichtender Schauspieler: Robert Gallinowski

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Schauspieler Robert Gallinowski verfügt auf der Bühne über lauernde Wucht und listig tänzelnde Kraft. In den Schmutz der Welt kann er tauchen - und diesen Schmutz doch auch mit dem edel mattierten Glanz eines liebenswürdigen Stromers präsentieren. Über Jahre hinweg glänzte er am Deutschen Theater Berlin der Intendanten Thomas Langhoff und Bernd Wilms, spielte auch an der Seite seiner Lebensgefährtin Dagmar Manzel. Unter Kostümen des Jägers schlug immer auch das Herz eines Gejagten - ein Schauspieler des Erdigen, des witzig Rauen, der sich gern ins Körperliche treiben lässt, mit Genuss am öffentlichen Schweiß und an den Spannungen zwischen Wildnis und Zivilisation, steinernem Ernst und romantischer Schwüle, strotzender Geschmeidigkeit und neurotischer Schräglage.

Der 1969 Geborene ist auch Maler und Grafiker - und Lyriker. Die Begabungen gründeten gleichsam ein gemeinsames Logistik-Unternehmen, »Korrektur-Passagen« hieß ein Band mit Malerei und Gedichten, jetzt erschien in einer bibliophilen Ausgabe »Zwischen Herz und Schlag«. Die Gedichte erscheinen, als habe ihr eigener Autor Scheu vor ihnen. Als seien sie ein Akt, ein Einschlag, eine Offenbarung - und als solche für den Menschenverstand so ohne Weiterers gar nicht hinnehmbar. Gallinowski nimmt wahr und beginnt zu erzählen, indem er das lichte Unverständliche, dessen er immer wieder teilhaftig wird, mit dem Schleier seiner Reflexionen bedeckt. Das Geheimnis gilt ihm mehr als dessen Enthüllung; das Staunen vor geschlossenen Toren hat höheren Wert, als Tore zu öffne. »Ohne Ziel/ auskommen:// Expedition«.

Gallinowskis Malerei ist pure Lust am Abstrakten. »Wer genau hinschaut«, so die Schriftstellerin Kerstin Hensel, »sieht die durchlässigen Bereiche, Abgrenzungen, Überfließendes, die plötzlich gerissene Linie, den heiteren Durchbruch«. Hinwendung zur Farbe als phantasievolle Dienerschaft am Erscheinungsrecht der reinen Form - die ihr eigener souveräner Sinn ist. Ordnung als das Unwahrscheinliche, alles Unwahrscheinliche ist die erste Erscheinungsweise der Kunst. Farb- und Streifenspiel als schöne Art, den Augen das Vielzuviele, das bildliche Gedränge ringsum aus der Welt zu räumen. Die große Leere ist es plötzlich, die unser Bewusstsein rührt. Der Sieg des tastenden Versuchs über den gekonnten Griff. So, wie der Vers es anstrebt, »irgendwo aus dem Verborgenen/ leuchten Laternen/ den Worten/ heim«.

»Der Kreis sucht/ seinen Anfang«, so heißt es in einer der lyrischen Notizen. Die schöne Illu-sion, es gebe diesen Anfang. Aber: im Lebenskreis zu gehen, es ist nicht die Suche nach einem Weg, es ist bereits der Weg, und der beschlossene Kreis-Lauf macht uns bekanntlich rund, so lang ein Leben dauert. Die Gedichte lächeln dabei, mal müde, mal verzweifelt, mal traurig; sie besingen jene zauberhafte Dürftigkeit, mit der wir am Weltall kratzen bis zur schönsten Erschöpfung.

Gallinowski Lyrik ist so das Protokoll eines täglichen Lebens, das immer ergänzungsbedürftig bleibt, das diesen ewig zerrenden Zustand jedoch wie eine beglückende Zuflucht beschreibt. »Flügelgruß,/ dann weg und weiter wieder/ Makel im Gemüt - / Was bleibt:/ Ein Brennen,/ Hier.« Hier. Keine Welt woanders. Das ist sie, die große Freiheit.

Robert Gallinowski: Zwischen Herz und Schlag. Gedichte. Verlag Die Libristen Berlin. 60 S., geb., Handbindung, mit CD (der Autor liest eigene Lyrik), 49 €. www.librist.de

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