Der Papst und die Linke
Die letzten drei Päpste haben unter Linken nicht gerade einen guten Eindruck hinterlassen, schließlich wurde der „linke Katholizismus“ aus Südamerika von der Kirche verfolgt und mundtot gemacht. Der „linke Katholizismus“, eine Befreiungstheologie, machte sich zum Programm, die Bibel von der Lebenserfahrung der Armen her auszulegen. Wer das als Theologe aktiv probierte, dem entzog Rom flugs die Lehrerlaubnis.
Aus Südamerika kommt auch der amtierende Papst. Bergoglio war zwar nie nennenswerter Jünger der Befreiungstheologie, aber dass er in ihr spirituell sozialisiert wurde, das scheint doch eindeutig. Er begreift sein Amt nicht als Ausübung von Macht, sondern als spirituelle Führungsrolle. Und so fehlt es ihm nicht an der Demut, an Inhaftierten die Fußwaschung zu begehen oder sich direkt in Europas insularen Vorhof zur Hölle zu begeben.
Als ich vor einigen Monaten Anmerkungen zum neuen Papst machte, begleiteten mich auch kritische Worte einiger Leser. Sie konnten, sie wollten nicht glauben, dass ein Kleriker den Machtapparat der Kirche benutzen könnte, um sich gegen die globalen Kräfte des Kapitalismus zu stellen, um der Armut und der Not eine mächtige Stimme zu verleihen.
Dass man unter Linken mit Skepsis und Ablehnung gegenüber dem Papsttum reagiert, hat einfach zu viel Tradition, als dass man diesen Affekt einfach abstellen könnte. Mir ist aber freilich auch bewusst, dass man Papst Franz nicht überhöhen darf. Er ist kein Reformpolitiker. Ines Kappert von der taz schrieb erst kürzlich, dass der Papst Symbolpolitik betreibe. Sie wirft ihm das nicht vor, sondern honoriert es. Sie schreibt: „Noch hat die Katholische Kirche ihren Reichtum und ihre Macht nicht eingesetzt, um der globalisierten Gleichgültigkeit tatsächlich etwas entgegenzusetzen. Also Strukturen zu schaffen, die den Flüchtlingen längerfristig helfen […] Aber an Symbolpolitik stören sich die Medien und die Massen sonst nicht, im Gegenteil, sie lieben sie.“
Kappert fand nämlich – und auch hier stimme ich ihr zu -, dass der Hype in dem Augenblick abgeflaut ist, in dem der Papst sich sozial relevanten Themen zuwandte. „Seine symbolische Solidarität mit den Ausgeschlossenen und Vergessenen“ werde nicht goutiert. Viele Linke sind stolz auf ihren atheistischen Hintergrund. Für sie kommt die Anerkennung eines spirituellen Führers nicht in Frage.
Aber es ist nicht die Frage nach Gott, die die politische Linke mit diesem Papst in dieser Epoche aufeinandertreffen läßt. Wenn der Papst für mehr Gerechtigkeit plädiert, um das göttliche Gebot der Nächstenliebe zu erfüllen, wenn er sich für die Bewahrung der Schöpfung ausspricht, dann redet er in Übersetzung doch von nichts anderem als von der sozialen und der ökologischen Frage.
Es geht doch nicht darum, wie er von diesen Menschheitssorgen spricht, sondern einzig darum, dass er es tut. In Zeiten, da die Gleichgültigkeit gegenüber den Armen zunimmt, in denen der Kapitalismus uns als Naturgesetz verabreicht wird, kann sich die politische Linke keine atheistische Arroganz mehr leisten. Wenn Menschen einen Gott oder dessen Statthalter auf Erden benötigen, um sich für das Soziale und Ökologische zu sensibilisieren, dann muss das der Linken recht sein.
Dieser Papst schwebt nicht über den Sorgen dieser Erde und flüchtet sich, wie seine Vorgänger, in die Theorie seines Glaubens hinein. Er ist Praktiker, brennt als Salz in Wunden und sucht die Vergessenen und Benachteiligten unmittelbar auf. Muss man als Linker nicht auch die Coolness haben, diese Leistung anzuerkennen, auch wenn der Mann aus einem geistigen Milieu kommt, das die politische Linke gerne verspottet und verachtet?
Eine Leserin schrieb mir mal, dass sie Die Linke wähle, weil sie Katholikin sei. Denn dies sei die einzige Partei, die christliche Werte transportiere. Und der Konservatismus hingegen ignoriert diesen Papst, weil er nicht die Institution der Legitimierung der Zustände sein will. Vieles scheint heute verdreht und verrückt. Warum sollte man da als Linker nicht ganz unideologisch einen Papst schätzen dürfen?
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