»Das war rufschädigend für Desertec«

Thiemo Gropp über die Gründe der Stiftung, sich aus der Industrieinitiative zurückzuziehen

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Als 2007 das Desertec-Konzept vorgestellt wurde, war die Idee vom Wüstenstrom eine großartige Vision. Nun zerbröckelt die zur Realisierung gegründete Desertec Industrial Initiative (DII). Zwei große Unternehmen sind ausgeschieden, jetzt verlässt die Stiftung die DII. Bleibt nur eine Vision?
Gropp: Nein, davon ist nicht auszugehen, dafür ist schon zu vieles gemacht worden und zu vieles in der Pipeline. Fairerweise muss man sagen, dass es von Anfang an eben kein einzelnes Projekt war, sondern ein globales Konzept. Und die DII sollte Rahmenbedingungen schaffen für Märkte und für konkrete Projekte in einer bestimmten Region. Insofern hat sich nicht viel geändert.

Wenn sich kaum was geändert hat, warum verlässt die Stiftung die Initiative der Wirtschaft und nimmt ihren Markennamen mit?
Das war ganz einfach notwendig, weil vieles von dem, was in und um die DII passiert ist, aus unserer Sicht rufschädigend war für den Namen Desertec und das Konzept. Der nach außen ausgetragene Streit der zwei Geschäftsführer über scheinbare Strategiewechsel verband sich mit dem Namen Desertec. Da mussten wir einfach klarmachen, dass die Schlammschlacht der Geschäftsführer nichts mit Desertec zu tun hat. Gleichzeitig war es uns wichtig, wieder etwas unabhängiger von der Industrie zu werden.

Waren Interessenkonflikte in der Industrieinitiative nicht absehbar? Die großen konventionellen Stromerzeuger dürften ja kaum an schnellen Solarstromimporten aus Afrika interessiert sein.
In der Tat gibt es massive Interessenkonflikte. Aber die große Chance bestand darin, einen gemeinsamen Weg zu finden. Wir sind ja damit gestartet, dass wir nicht gegen, sondern für etwas sind. Die große Chance ist, dass gemeinnützige Organisationen mit der Industrie Hand in Hand gehen. Das ist nicht immer gelungen, aber wir glauben, dieses Modell wird durchaus noch Chancen haben.

Ist der Streit, ob der Export von Ökostrom aus Nordafrika vertagt wird, so wichtig? In Marokko werden schon Solarkraftwerke gebaut. Und eine bessere Stromversorgung in Nordafrika wäre doch gut.
Natürlich ist das ganz im Sinne von Desertec. Die Projekte in Marokko entstanden u. a. deshalb, weil die Gründungsväter von Desertec vor etwa fünf Jahren mit dem dortigen Energieministerium und der Weltbank gesprochen haben. Das war die Initialzündung für den marokkanischen Solarplan und vieles mehr. Da steht am Ende nicht Desertec drauf, aber es ist ein Riesenerfolg, über den wir uns freuen.

Es geht ja nicht in erster Linie darum, schnell Strom nach Europa zu bringen, sondern darum, die technischen und politischen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Das ist ein längerer Prozess. Wenn wir in 15 bis 20 Jahren eine Lücke bei regelbarer Energie haben werden, also Energie, die heute z.B. Gaskraftwerke liefern, kann die zum Teil durch Strom aus Nordafrika gedeckt werden.

Dort ist etwa zur gleichen Zeit Nacht wie bei uns. Wie kann da afrikanischer Solarstrom helfen?
Solarthermische Kraftwerke, wie sie in der Wüste geplant sind, haben große Wärmespeicher. Damit können sie Tag und Nacht Strom produzieren. Sie können also konventionelle Kraftwerke ersetzen. In unseren Breiten reichen Intensität und Regelmäßigkeit der Sonne für so etwas nicht. Als erneuerbare Regelenergie haben wir nur ein bisschen Wasserkraft. Insofern sind 15 Prozent regelbare Energie aus Nordafrika zumindest ein naheliegendes Szenario.

Anders als in Marokko haben etliche der nordafrikanischen Politiker, mit denen Desertec Kontakte pflegte, durch den »Arabischen Frühling« ihren Job verloren. Haben Sie noch Ansprechpartner in der Politik?
Die haben natürlich zum Teil gewechselt. Das macht es in der Tat nicht einfacher.

Interview: Steffen Schmidt

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