Unerwünschte Debatten über den Teller

  • Robert Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Was wir essen, ist allein Privatsache und niemand besitzt das Recht, sich bei dieser individuellen Entscheidung einzumischen, sagen viele. Wer so denkt, geht unangenehmen Fragen aus dem Weg.

Comedian Oliver Pocher ist der Öffentlichkeit nicht gerade durch kritische Gesellschaftsanalysen bekannt. Über Twitter ließ er die Welt zuletzt wissen: Aufklärerische Veganer nerven mich! Dabei ging es Pocher um jenen Typus, der die Welt wissen lässt, dass er oder sie eine tierleidfreie Ernährung praktiziert. Das dahinterstehende Argument ist offensichtlich. Iss, was du willst, nur behalte deine Entscheidung gefälligst für dich. Ernährung gleich Privatsache und sei daher eine individuelle Entscheidung, in die sich niemand einzumischen habe. Nicht wenige Veganer teilen diese Sichtweise. Was als privat eingestuft wird, hat nach unserem vorherrschenden, gesellschaftlichen Verständnis, im öffentlichen Raum nichts zu suchen, da wir dem Privaten einen hohen Stellenwert einräumen.

Deshalb nehmen viele Veganer auch nicht an öffentlichen Veranstaltungen teil, die für eine pflanzenbasierte Ernährung werben. Zuletzt ließ sich dieses Phänomen auf der diesjährigen Veggieparade in Berlin beobachten. Obwohl die Hauptstadt als das Mekka der veganen Bewegung gilt, nahmen gerade einmal einige hundert Menschen an der Protestaktion teil. Solche Aktionen zerren die vermeintliche Privatangelegenheit Ernährung in die Öffentlichkeit. Vielen Menschen ist solch eine Auseinandersetzung bereits zu viel. Aufklärende Veganer werden zu Dogmatikern erklärt, wenn sie die Debatte suchen. Dieser Blog versucht im Prinzip nichts anderes: Aufklärung leisten und einen Anstoß für Diskussionen liefern.

Denn im Grunde handelt es sich bei der Einstellung, Ernährung gleich Privatsache, oft nur um eine Schutzbehauptung, die eine unangenehme Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensweise verhindert. Das ist die denkbar bequemste Haltung: Was mir unangenehm ist, lässt sich ausblenden, indem ich mich nicht dafür interessiere, womit es in meiner abgeschotteten Welt nicht existiert. Solch eine Sicht auf die Dinge ist fatal, führt sie doch dazu, dass wir viele globale Probleme niemals lösen werden.

Dabei ist das, was wir täglich konsumieren, allein schon deshalb keine Privatangelegenheit mehr, weil unsere täglichen Entscheidungen eben nicht nur Konsequenzen für uns selbst, sondern auch stets für andere Menschen und Lebewesen bedeuten. Niemand von uns agiert in einer abgeschlossenen Luftblase, der jegliche Verbindung zur Außenwelt fehlt. Mit dem, was auf unseren Tellern landet, stimmen wir unter anderem täglich darüber ab, ob neue Flächen Regenwald für den Anbau von Soja zur Futtermittelproduktion gerodet werden, ob diese Monokulturen die Böden weiter verseuchen, das Klima geschädigt wird und Kleinbauern von ihrem Land vertrieben werden, um unseren Hunger auf Fleisch zu stillen. Das Schnitzel oder der Braten ist eine politische, ökologische und ökonomische Entscheidung mit globaler Tragweite, deren Folgen sich nur die wenigsten Menschen tatsächlich bewusst sind.

Darf unter diesen Maßstäben Ernährung Privatsache sein?

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