Neue Kraftwerke nur mit Erdgas

Bundesweit hat die Branche große Probleme - in Berlin kann Vattenfall die Energiewende besser umsetzen

  • Ralf Hutter
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir haben die Effekte der Energiewende unterschätzt. Sie sind dramatisch.« Tuomo Hatakka gab am Dienstag in Berlin-Lichtenberg einen kleinen Einblick in das Leid seiner Branche. Der Vorsitzende der Geschäftsführung des europaweiten Energieversorgers Vattenfall nutzte den Termin im Kraftwerk Klingenberg, um über den dortigen anstehenden Neubau hinaus von der Energiewende zu sprechen.

Anlass war der Besuch von Sigmar Gabriel, SPD-Bundesvorsitzender und ehemaliger Bundesumweltminister. Der Politiker redete lieber über Energiepolitik als über das Kraftwerk, in dem das Treffen stattfand. So gab er dem Manager Gelegenheit zur Klage: »Die deutsche Energiewende hat Domino-Effekte in Kontinental- und Nordeuropa. Der Strompreis sinkt. Das operative Ergebnis auch.« Die Branche gerate ins Schwitzen, unrentable Bereiche würden verkauft, Investitionen nicht getätigt.

In Berlin sieht es da besser aus. Hunderte Millionen Euro investiert Vattenfall in den Neubau des Kraftwerks Klingenberg. Wo heute sowohl Braunkohle als auch Erdgas verfeuert wird, soll ab 2020 ein Gas-und-Dampfturbinen-Heizkraftwerk stehen. Das ist ein wichtiger Schritt zur Erreichung des mit dem Senat ausgemachten Ziels, 2020 nur noch halb so viel CO2 auszustoßen wie 1990. Das neue Kraftwerk, das dann laut Hatakka 25 bis 30 Jahre laufen soll, wird in diesen für die Branche so schwierigen Zeiten vor allem von zwei Faktoren ermöglicht: Da es in der Stadt liegt, ist Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) möglich, also die Einspeisung der bei der Stromproduktion anfallenden Abwärme ins Fernwärmenetz ohne zu große Verluste durch lange Leitungen. Schon heute bietet Klingenberg, das einen Großteil des Berliner Ostens versorgt, neben 190 Megawatt elektrischer Leistung fast 600 Megawatt an Wärmeleistung.

Der zweite Faktor: Die Bundesregierung verlängerte die KWK-Förderung. In deren Genuss kommt dadurch auch das neue Werk in Klingenberg, obwohl es erst 2020 in Betrieb genommen wird. Ursprünglich sollte der Neubau schon 2016 fertig sein. Jetzt soll dann der Baubeginn erfolgen.

Das reine Gaskraftwerk soll bis zu 230 Megawatt Fernwärme und bis zu 300 Megawatt Strom erzeugen. In der selben Größenordnung soll ein Kraftwerk im Stadtteil Marzahn entstehen, um die wegfallende Leistung von Klingenberg insgesamt auszugleichen. Auch in Lichterfelde soll 2016 ein solches Kraftwerk das alte ersetzen. Das erste Vattenfall-Heizkraftwerk in Berlin, das ausschließlich auf den Brennstoff Biomasse setzt, entsteht derzeit im Märkischen Viertel (Bezirk Reinickendorf).

»Wir haben hoffentlich etwas gelernt«, sagte Tuomo Hatakka mit Blick auf Vattenfalls Ausrichtung zu Beginn der Energiewende. Der Fall Klingenberg veranschaulicht das gut. Hier war bis 2008 ein Steinkohlekraftwerk geplant - mit einem 160 Meter hohen Kühlturm, »einem neuen Wahrzeichen Berlins«, wie Vattenfall-Vorstandsmitglied Wolf-Dietrich Kunze in seiner Präsentation für Sigmar Gabriel sarkastisch anmerkte. Das Projekt wurde ebenso auf öffentlichen Druck hin zurückgenommen wie der Plan für ein Biomasse-Kraftwerk, für das riesige Mengen Biomasse auch per Lkw herangekarrt hätten werden müssen, wie Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Andreas Geisel (SPD) gegenüber »nd« sagte. Es habe darum im Bezirk über Jahre eine heftige Debatte gegeben.

Wenig Konfliktpotenzial sieht Vattenfall bei der Absenkung der Angestelltenzahl von 220 auf 50 bis 60 im neuen Kraftwerk. Das Personal könne auf weitere Standorte verteilt werden.

Der bei Vattenfall geplante Abbau von bundesweit 1500 Stellen soll im Einvernehmen mit den Betroffenen geschehen und sei »auf einem guten Weg«, sagte eine Unternehmenssprecherin.

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