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Eine Schneise geschlagen

Vor 100 Jahren starb August Bebel - Der Arbeiterführer und die Frauen

  • Ursula Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 13. August 1913 verstarb August Bebel im Kurhaus Passugg nahe der Schweizer Stadt Chur im Alter von 73 Jahren. Die Beisetzung erfolgte am Sonntag, dem 17. August, in Zürich. Tausende waren seit dem 15. August an der Aufbahrung vorbeigezogen. Zehntausende gaben dem Trauerzug mit roten Fahnen und Kränzen das Geleit. Zu Grabe getragen wurde der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der stärksten Partei in der II. Internationale, ein Politiker von europäischem Rang, geachtet von vielen seiner Gegner, verehrt und geliebt von den Volksmassen. Er verkörperte den Aufstieg der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung zu einer starken politischen Kraft.

Bebels theoretisches Hauptwerk »Die Frau und der Sozialismus« (1879) machte seinen Namen weltweit bekannt. Im Verlauf von drei Jahrzehnten wurde es zu einem Standardwerk der Arbeiterbewegung. Das Buch gab dem Sozialismus als Ziel der Arbeiterbewegung eine konkretere Gestalt und formte die wissenschaftliche Begründung für das Ringen um die Gleichstellung der Frau weiter aus.

Zu Bebels Zeit galt die Entrechtung und angebliche Minderwertigkeit der Frau als ewig und unabänderlich, von Gott gegeben oder durch die Natur bedingt. Sich auf Marx und Engels stützend, wies er nach, dass die Stellung der Frau weder durch Religion noch von Natur aus gegeben ist, sondern durch die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt wird. Die bestehende Gesellschaft müsse von Grund auf umgestaltet werden als gemeinsames Werk der Arbeiter und der Frauen. Bebels Buch griff eine Grundfeste des gesellschaftlichen Systems an. Kein Wunder, dass es bei Erscheinen sofort verboten wurde. Bis zum Sieg über das Sozialistengesetz 1890 übernahm die »Rote Feldpost« den illegalen Vertrieb der ersten acht Auflagen.

Bebel überarbeitete seine Argumentation mehrfach und ergänzte das Buch immer wieder mit neuen Fakten über die Ausbeutung und Entrechtung der Frau im Kapitalismus. Zu seinem 70. Geburtstag 1910 erschien die 50. Auflage. »Die Frau und der Sozialismus« wurde zu Bebels Lebzeiten in 20 Sprachen übersetzt, zum 100. Jahrestag seines Erscheinens lag das Buch in 26 Sprachen mit rund 200 Auflagen vor. Heute wird es wenig geschätzt. Von manchen Feministinnen ist zu hören, Bebel habe sich nicht gegen patriarchalische Gepflogenheiten in der Familie gewandt. Doch! Er hob die völlig neuen Beziehungen zwischen Mann und Frau im Sozialismus unter Bedingungen der Gleichberechtigung und der Beseitigung der Ausbeutung hervor. Bebel forderte die Umgestaltung des häuslichen Lebens durch Gemeinschaftseinrichtungen auf hohem technischem Niveau. Ihm schwebte sogar die »Beseitigung der Privatküche« vor, »eine der anstrengendsten, zeitraubendsten und verschwenderischsten Einrichtungen«. Er plädierte für frühzeitige Gemeinschaftserziehung der Kinder, beginnend beim »Spielsaal« und dem Kindergarten. Da erweist sich der »Märchenonkel« doch als sehr zeitgemäß.

Ein weiterer Vorwurf ist, dass der Versuch einer sozialistischen Gesellschaft hinsichtlich der Gleichstellung der Geschlechter mit vielen Mängeln behaftet war. Gewiss. Aber Erfolge sollten nicht verschwiegen werden. Sowohl die Verfassung der DDR als auch das Grundgesetz der BRD erklärten Mann und Frau für gleichberechtigt.

Die Frauenrechtlerin Helene Stöcker würdigte in ihrem Nachruf Bebel als einen »der ersten Kämpfer für eine umfassende soziale, wirtschaftliche, geistige und sexuelle Befreiung der Frau.«

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