Kostenspirale steigt nach oben

Krankenkassenchef Kailuweit fordert weiteres Preismoratorium für Medikamente

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Herr Kailuweit, Sie beklagen eine Ausgabensteigerung für Medikamente von 3,8 Prozent pro Patient im ersten Halbjahr 2013. Sind Ihre Versicherten kränker?
Kailuweit: Die Ausgaben für Medikamente sind im ersten Halbjahr 2013 bei allen Kassen gestiegen. Diese Entwicklung ist nicht auf eine höhere Anzahl an abgegebenen Rezepten und somit einem Mehr an kranken Versicherten zurückzuführen. Unsere Auswertung zeigt vielmehr, dass die Kosten je Rezept zunehmen. Oft werden teure patentgeschützte Präparate vom Arzt verschrieben und nicht günstigere Nachahmer-Produkte, die bei gleichem Nutzen die Krankenkassen weniger Geld kosten würden.

Welche Folgen hat das für die gesetzlichen Versicherer?
Die Arzneimittelversorgung in Deutschland wird leider wieder teurer. Wir dürfen es jedoch nicht zulassen, dass der Arzneimittelsektor die Kostenspirale im Gesundheitswesen wieder nach oben dreht. Jahrelang mussten wir zusehen, wie Pharmakonzerne zu Lasten der Versichertengemeinschaft ihre Gewinne maximieren konnten. Durch die freie Preisbildung gab es insbesondere im Bereich neuer patentgeschützter Arzneimittel eine regelrechte Kostenexplosion. Dieser Trend wurde kurzzeitig mit dem Arzneimittelsparpaket von 2010 gestoppt - allerdings ist diese positive Entwicklung ganz offensichtlich nicht von Dauer.

Damals wurde der Nachlass für Krankenkassen von sechs auf 16 Prozent erhöht. Welche Ersparnis hat das gebracht?
Dieser Preisnachlass ist zum 1. August 2010 in Kraft getreten und hat bereits im ersten Quartal nach Einführung der neuen Regelung zu Einsparungen von fünf Millionen Euro allein bei der KKH geführt. Die Experten gehen davon aus, dass in der gesamten gesetzlichen Krankenversicherung rund 1,5 Milliarden Euro durch den erhöhten Herstellerrabatt eingespart werden konnten.

Zugleich wurden aber zahlreiche Ausnahmegenehmigungen erteilt. Wurde die Regelung von der Bundesregierung wieder ausgehöhlt?
Bezogen auf den Herstellerrabatt gab es eigentlich kein richtiges Schlupfloch für die Pharmaunternehmen. Lediglich zehn kleine Pharmafirmen haben aufgrund der Vorgaben durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Im Bereich der Nutzenbewertung von neuen und im Markt befindlichen Arzneimitteln gab es dagegen mehrere Versuche der Pharmabranche, den vom Gesetzgeber verordneten Sparkurs durch Rechtsstreitigkeiten vor Gericht aufzuhalten.

Die erhöhten Preisnachlässe sollen nur noch bis Ende des Jahres gelten. Welche Chancen sehen Sie für die von Ihnen geforderte Verlängerung?
Das Preismoratorium und der erhöhte Herstellerrabatt müssen unbedingt auch im nächsten Jahr bestehen bleiben. Denn andere preisreduzierende Instrumente wie die Nutzenbewertung von Arzneimitteln im Bestandsmarkt können die Kosten erst zu einem späteren Zeitpunkt spürbar dämpfen. Wir begrüßen es zwar sehr, dass diese Arzneimittel jetzt genauer geprüft werden. Die volle finanzielle Entlastung wird aber erst im Jahr 2018 erwartet und dann nach neuesten Prognosen leider auch deutlich unter dem von der Politik angenommenen Wert von zwei Milliarden Euro liegen. Grundsätzlich hat die Politik aber dafür Sorge zu tragen, vernünftige Arzneimittelpreise und damit eine zukunftsträchtige Gesundheitsversorgung langfristig im Sinne der Versicherten zu sichern.

Zugleich laufen derzeit zahlreiche Patentschutzfristen für sogenannte Blockbuster aus, etwa ein Atorvastatin-Präparat des US-Konzern Pfizer zur Blutfettsenkung. Ist dadurch nicht ohnehin ein Kostenrückgang zu erwarten?
Richtig ist, dass grundsätzlich bei Patentausläufen in den Folgejahren Einsparungen durch den generischen Wettbewerb erzielt werden. Diesen Einsparungen stehen allerdings zumeist teure Neuentwicklungen insbesondere im Bereich der Onkologie gegenüber, so dass die Kosten insgesamt eher weiter steigen werden.

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