Weißer Adler auf weißem Grund

Potsdamer Landtagsschloss steht vor der Fertigstellung

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben und den Neubau nicht vor dem endgültigen Bezug. Aber der neue Landtag könnte kurz vor der Übergabe als Beispiel dafür gelten, dass die öffentliche Hand als Bauherr nicht zwangsläufig versagen muss.

»Nehmen Sie, wenn Sie durchlaufen, nicht alles für bare Münze«, sagt Chefarchitekt Peter Kulka bei der letzten großen Baustellenführung für Journalisten, bevor im Januar die Einweihung stattfindet. In der Tat. Das beeindruckende Ensemble im Herzen Potsdams erinnert äußerlich an das alte Stadtschloss, es ist aber keins. »Und das wird draußen auch dranstehen«, erklärt Kulka und spielt damit darauf an, dass ein in Gold gehaltener barocker Schriftzug an der Außenfassade verkünden wird: »Ceci n›est pas un chateau« (Das ist kein Schloss).

Ein ausladendes, modernes Büro- und Parlamentsgebäude, innen konsequent in den Farben Weiß und Rot gehalten, steht den Besuchern demnächst offen. »Das sind keine politischen Farben, das sind die Landesfarben«, unterstreicht Kulka. Das Wappen, der rote Adler, soll an der Wand des Plenarsaals diskret weiß sein und sich nur durch seinen Schatten von der weißen Wand abheben.

Dass es im Inneren keine historischen Elemente geben soll, ist zwar in den Vorgaben des Landtags festgehalten, aber das wiederentdeckte Skulpturenensemble »vier Atlanten« trägt dennoch die Decke des Eingangsbereiches - und zwar genau so kriegslädiert, wie man die Figuren aufgefunden hat. Für Kulka ist es wichtig, die Schäden der Geschichte zu zeigen. »Das ist eine Möglichkeit, sich mit ihr auseinanderzusetzen.«

Potsdam neige dazu, »alles schön zu machen«, sagt Kulka, und bei ihm klingt das durchaus nachdenklich. Auf die Frage, ob er seinen Landtagsbau durch das benachbarte DDR-Interhotel beeinträchtigt fühle, sagt Kulka: »Eigentlich nicht.« Das Schloss besitze die Ausstrahlung und Kraft, für sich selbst zu stehen.

Parlamentspräsident Gunter Fritsch (SPD), der im Dezember den Schlüssel des neuen Landtags übernehmen soll, bemerkt zu den Abrissfantasien in der Potsdamer Stadtverwaltung trocken und verschmitzt, die Beseitigung eines funktionierenden Hauses »wäre eine Verschwendung von Volksvermögen«. Mit Blick auf die ebenfalls benachbarte Fachhochschule spricht Architekt Kulka von einer »wunderbaren« Verbindung zwischen dem Landtagsschloss und den Studenten, die drei Jahre lang den Bau interessiert verfolgt haben. Das Parlamentsgebäude am Alten Markt soll nicht nur einer der schönsten, sondern auch einer der lebendigsten Plätze werden, wünscht sich der Fachmann. Mit Blick auf die Fachhochschule aber vergeblich, denn das aus DDR-Tagen stammende Gebäude ist dem Abriss geweiht. Studenten wird es in Zukunft hier nicht mehr geben.

Im Plenarsaal können bis zu 168 Besucher die Debatten verfolgen, eine Kuppel über den Abgeordneten gibt den Blick auf den Himmel frei. Kulka erhofft sich davon eine inspirierende Wirkung für die Abgeordneten. Rund 120 Millionen Euro kostet der Bau, vielleicht einige Millionen mehr. Weit und breit herrscht Verwunderung, dass die bei öffentlichen Projekten erwartete Verdopplung oder Verdreifachung der Bausumme hier nicht stattgefunden hat. Der schwierige Baugrund am Fluss Havel bewirkte eine Verzögerung von einigen Monaten, eine Umplanung der Haustechnik war kurzzeitig Streitpunkt. Aber das alles scheint vergessen. Im Januar soll es ein Wochenende der offenen Tür geben, dann beginnt die Parlamentsarbeit.

Sollte es Auszeichnungen und Preise geben für den eigenwilligen Bau? »Darüber spricht man natürlich nicht«, sagt Finanzminister Helmuth Markov (LINKE). CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski ist dafür, den Mäzen Hasso Plattner zu ehren. Der Softwaremilliardär hatte 20 Millionen Euro gespendet und damit eine Fassade finanziert, die an das barocke Vorbild des Landtagsschlosses erinnert. Weitere 20 Millionen rückte Plattner für ein Dach aus Kupfer wie beim Original heraus. Sonst wäre das billigere Material Zink verwendet worden.

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