Oscar für’s Klappehalten

Schalke ergötzt sich an der Verpflichtung Boatengs

  • Andreas Morbach, Gelsenkirchen
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Vorstellung von Kevin-Prince Boateng lag zwar schon 30 Stunden zurück, doch Horst Heldt suhlte sich auch nach dem Schalker 2:0 über Leverkusen noch ein wenig im Glanz seines Transfercoups. Der Manager der Königsblauen ließ den Blick durch den Presseraum wandern und stellte sich nach Boatengs kraftvoll-gelungenem Debüt eine kleine Sonderzeremonie vor. Für die sehr seltene Schalker Leistung, vor einem prominenten Spielerkauf durch die Bank die Klappe gehalten zu halten.

»Dafür, dass wir bis zum Tag der Präsentation dichtgehalten haben, haben wir einen Oscar verdient«, scherzte Heldt, und neben ihm genoss Jens Keller nach dem rumpligen Saisonstart den Befreiungsschlag gegen die mit blütenweißer Punkteweste angereisten Leverkusener.

Entscheidend mit ermöglicht hatte den Erfolg Neuankömmling Boateng, dem Manager Heldt »eine unheimliche Präsenz« attestierte. Während Innenverteidiger Felipe Santana wegen Boatengs umfassend tätowiertem Körper an den mit Tattoos ähnlich gut versorgten Jermaine Jones dachte und grinsend kommentierte: »Wir haben jetzt eine Gangstertruppe.«

Von solchen Vergleichen will die Mittelfeldgewalt mit dem zerzausten Ziegenbärtchen allerdings nichts mehr wissen. Schon beim AC Mailand revidierte Boateng (26) in den vergangenen drei Jahren sein Image als brutaler Treter, der Michael Ballack 2010 die Teilnahme an der WM in Südafrika weggegrätscht hatte. Er begehrte gegen fremdenfeindliche Schmähungen in der Serie A auf, verließ bei einem Testspiel im Januar deswegen sogar den Platz, durfte vor den UN über »Rassismus im Fußball« sprechen - und sagt jetzt: »Über meinen Ruf von früher will ich nicht mehr reden.«

Sondern lieber über seinen Sohn Jermaine (5), bei dem er jetzt »um die Ecke wohnt«. Oder über seine Rolle als mutiger Oberkrieger im Schalker Mittelfeld, die ihm die S04-Chefs zugedacht haben. Diese Erwartungen hat er - mehr noch als der als Linksverteidiger ebenfalls ansprechend debütierende Dennis Aogo - gegen Bayer gleich bestens erfüllt.

Für Trainer Keller jedenfalls sind Boateng und Aogo »genau die Verpflichtungen, die wir gebraucht haben«. Julian Draxler, der vor einer Woche noch die Einkaufspolitik seines Klubs rügte, will da gar nicht widersprechen. »Ich bin froh«, erklärte der Jungstar nun, »dass wir es geschafft haben, einen international erfahrenen Mann an Land zu ziehen.«

Mit dem diesmal auf links spielenden Draxler, dem gereiften Boateng und dem gegen Bayer überragenden Jefferson Farfán, Freistoßgeber beim 1:0, Elfmeterschütze des 2:0, kann Schalke im Mittelfeld nun ein variables offensives Trio aufbieten, bei dem Draxler frohlockt: »Mit der Zeit wird es immer schwerer für die Abwehrreihen, sich auf uns einzustellen. Ich bin sehr positiv gestimmt durch die Verpflichtung.«

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