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Vor dem Sieg kam der Tod

Das Schlachtfeld von Leipzig 1813 im Deutschen Historischen Museum

  • Kurt Wernicke
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Vielfalt der kulturellen Aktivitäten anlässlich von Daten, die mahnend an Ereignisse in den Jahren 1933 und 1938 erinnern, ist das Berlin betreffende Geschehen vor 200 Jahre in den Hintergrund gerückt. Über ein halbes Jahr erinnerte weder eine Ausstellung noch ein offiziell-festlicher Vortrag an den als »Befreiungskrieg« im öffentlichen Gedächtnis verankert und vielfach im städtischen Straßenbild lebendigen Aufbruch gegen die drückende napoleonische Fremdherrschaft. Dabei war die preußische Hauptstadt im Laufe des Frühjahrs und Sommers 1813 zwei Mal (Anfang Juni vom Südosten, Ende August vom Südwesten her) in akuter Gefahr, von Napoleons Truppen besetzt und geplündert zu werden.

An Schinkels Kreuzbergdenkmal, eines der bedeutendsten Erinnerungszeichen an den antinapoleonischen Befreiungskampf von 1813/14 legte am Jahrestag der Berlin rettenden Abwehrschlacht von Großbeeren kein einziger Repräsentant der Stadt einen Kranz nieder. Dabei ist an jenem 23. August 1813 »Spree-Athen« vor der Brandschatzung bewahrt worden. Sie drohte, weil Napoleon in Berlin - nicht zu Unrecht - die Initiatoren der gegen seine kontinentale Vorherrschaft gerichteten Erhebung vermutete, die Drahtzieher der preußisch-russischen Kriegskoalition wähnte. Ein mehrtätiges Erinnerungsfest feierte nur die Gemeinde Großbeeren; der Andrang der Berliner blieb mäßig.

Zum Glück findet nun nun aber auch in Berlin ein öffentliches Gedenken und eine entsprechende Würdigung des Schicksalsjahrs deutscher, ja europäischer Geschichte statt. Im Vorfeld des Jubiläums der kriegsentscheidenden Völkerschlacht von Leipzig wurde jüngst eine opulente Ausstellung im Deutschen Historischen Museum (DHM) Unter den Linden eröffnet, die sich um ein Kolossalgemälde gruppiert: »Die Siegesmeldung« hält - geschickt komponiert - den Moment fest, als der Oberbefehlshaber der verbündeten Armeen am Nachmittag des 19. Oktober 1813 dem Zaren, dem österreichischen Kaiser und dem preußischen König Meldung erstattet; Die dreitägige Schlacht bei Leipzig sei gewonnen und Napoleon auf der Flucht. Das Gemälde von Johann Peter Krafft (1780- 1856) hat das DHM 1995 aus dem Besitz der österreichischen Familie Kinsky erworben, für die der Maler es 1839 als Kopie seines noch weitaus größeren Monumentalgemäldes von 1817 angefertigt hatte.

Die Kuratoren der Ausstellung nahmen das Bild zum Ausgangspunkt ihrer didaktisch gut überlegten und überzeugenden Erzählung. Darauf befindliche Motive dienten ihnen als Stichwortgeber für die gestalterische Konzeption. Es wird gezeigt, was dem im Bild festgehaltenen Geschehen vorausgegangen ist.

Mit mehr als 300 originalen Sachzeugen - Fahnen, Waffen, Uniformstücken, militärischen Ausrüstungsgegenständen, Grafiken, Dokumenten, Büchern und Karten - wird ein Einblick in die Zeit geboten. Unverstellt und ungeschönt ist hier die Sicht auf den Krieg. Der brutale Alltag der Soldaten mit kräftezehrenden Gewaltmärschen und stetig den Tod im Nacken wird tatsachengetreu abgebildet.

Die vor 200 Jahren gefundene und bis heute geläufige Bezeichnung »Völkerschlacht« entsprach dem Empfinden der Menschen des 17. und 18. Jahrhunderts, für die aufeinander stoßende und sich niedermetzelnde Truppenmassen als »Kriegsvölker« galten. Völkerschlacht klingt martialischer und trifft wohl besser die Sicht der Involvierten als die später gefundene und heute übliche Interpretation einer entscheidenden Schlacht als Gipfelpunkt eines militärischen Konflikts zwischen Nationen».

Im Sinne des Aufeinandertreffens von Kriegsvölkern markierte die Leipziger Schlacht den Höhepunkt des Massenschlachtens vor jenen industrialisierten des 20. Jahrhunderts. Über 500 000 Kombattanten waren im Oktober 1813 beteiligt, 90 000 Mann blieben tot oder verwundet auf dem Schlachtfeld zurück. Es sind denn auch in der Ausstellung zahlreiche auf dem Kampfplatz kurz danach sichergestellte oder später gefundene Belege für das große Metzeln und Sterben zu sehen. Darunter ein Pferdeskelett, das dank der Aufmerksamkeit von Straßenbauarbeitern bei Leipzig-Liebertwolkwitz auf einen Verscharrungsort für Kadaver gefunden wurde.

Die eingangs dieser Zeilen vermissten Vorträge zum Thema liefert das DHM ab 18. September im Abstand von vier Wochen (immer mittwochs, 18 Uhr) bei freiem Eintritt im Auditorium des IM Pei-Baus. Am 15. Oktober stellt der Historiker und «nd»-Autor Gerd Fesser dort sein neues Buch «1813 - Völkerschlacht bei Leipzig» vor.

1813. Auf dem Schlachtfeld bei Leipzig. Ein Rundgang durch das Gemälde «Siegesmeldung». IM Pei-Bau, hinter dem Zeughaus; bis 26. Februar, 10 bis 18 Uhr; Tagesticket 8 €, bis 18 Jahre frei. Katalog (88 S., 90 farb. Abb. 11,80 €).

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