Fachliche Inzucht

Vlado Stenzel kritisiert Deutschen Handballbund

  • Lesedauer: 3 Min.

Kurz vor dem Bundestag des Deutschen Handballbundes (DHB) am Sonnabend stellt Vlado Stenzel der scheidenden Verbandsspitze ein vernichtendes Zeugnis aus. Der Weltmeistertrainer von 1978 spricht mit Günter Breitbart, SID, über die Entwicklung der Sportart unter Präsident Ulrich Strombach, seine Ideen für die Zukunft und die Erwartungen an den neuen DHB-Boss.

Günter Breitbart: Mit dem DHB-Bundestag in Düsseldorf geht die Ära des langjährigen Präsidenten Ulrich Strombach zu Ende. Wie bewerten Sie die Entwicklung des Handballs unter seiner Regentschaft?

Stenzel: Der deutsche Handball liegt komplett am Boden. Es ist ein Trauerspiel, dass der weltgrößte Verband nicht einmal gegen das kleine Montenegro gewinnen kann. Nach der verpassten Olympiateilnahme in London wird Deutschland erstmalig auch bei einer Europameisterschaft fehlen. Die Aus- und Fortbildung der Trainer bis in den Jugendbereich ist das größte Problem. Im DHB hat sich eine fachliche Inzucht breit gemacht.

Was meinen Sie damit?

Wir lernen nicht einmal von so kleinen Ländern wie Dänemark oder Island, schon gar nicht von dem großen Verband Frankreich. Wir bedienen uns ihrer Spieler in der Bundesliga und fragen nicht danach, wie sie zu so großartigen Spielern geworden sind.

Welche Impulse erhoffen Sie sich vom Bundestag?

Eine verbesserte Trainerausbildung muss schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden. Bis dies Früchte trägt, muss der DHB auf allen Ebenen Trainer beschäftigen, die schon bewiesen haben, dass sie international erfolgreich gearbeitet haben. Erfolgreicher Spieler gewesen zu sein, reicht auch für die Nachwuchsmannschaften des DHB nicht aus.

Wie sehen Sie den designierten Präsidenten Bernhard Bauer?

Man sagt, nach Regen kommt Sonnenschein. Ich sage, nach langem Regen kommt sicher Sonnenschein. Ich bin Optimist, ich schenke Herrn Bauer das Vertrauen. Mit der WM-Bewerbung für 2019 hat er bewiesen, dass er zu schnellem guten Handeln in der Lage ist. Ich kenne ihn nicht persönlich, aber als Trainer habe ich gelernt, auf Körpersprache zu achten. Er wirkt energisch und resolut, aber immer auch ausgesprochen nett. Ich glaube, er kann Andere mitziehen.

Welchen Stellenwert hat seine Wahl für die Nationalmannschaft?

Ich wünsche mir sehr, dass er auch ein neues Bewusstsein, ja eine neue Kultur in und um die Nationalmannschaften schafft. Der Begriff DHB-Auswahl muss aus der öffentlichen Sprache - auch der Medien - wieder verschwinden. Es ist unsere Nationalmannschaft, dieser Name motiviert, schafft eine stärkere Identifikation mit den Spielern und bewirkt Zuwendung. Andere Nationen machen uns das erfolgreich vor. Diese Motivation dürfen wir nicht verlieren, sie schafft mentale Stärke.

Fragen: Günter Breitbart, SID

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